Vatroslav Ignaz Jagič an Hugo Schuchardt (32-05034)

von Vatroslav Ignaz Jagič

an Hugo Schuchardt

Wien

21. 03. 1893

language Deutsch

Schlagwörter: Krek, Gregor Oblak, Vatroslav Meyer, Gustav Graz

Zitiervorschlag: Vatroslav Ignaz Jagič an Hugo Schuchardt (32-05034). Wien, 21. 03. 1893. Hrsg. von Claudia Mayr und Helena Reimann (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4787, abgerufen am 17. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4787.


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Wien 21.Marz 1893

Sehr geehrter Herr Collega!

Aus einem jammervollen Brief Oblak’s entnehme ich, daß seine Habilitation in Graz auf Schwierigkeiten stoßen soll. So wenigstens wurde ihm von Prof. Krek berichtet. Ich kann das nur im Interesse der Wissenschaft aufs tiefste bedauern und kann mir, aufrichtig gesagt, nicht recht vorstellen, daß die deutschen Professoren allein daran schuld wären. Ich begreife vollständig eine gewisse Aufregung seitens der deutschen Kreise, der sich selbst Männer der Wissenschaft nicht ganz entziehen können. Allein ich glaube immer, daß wenn man der Facultät ruhig auseinander zu setzen verstünde, daß es sich bei der Habilitation eines so hoffnungsvollen jungen Mannes, wie Oblak, gar nicht um irgend welche Conceßion an die Slovenen handelt, daß es so-|2| gar im Intereße der Spannung, die jetzt zwischen dem alleinigen Inhaber des Lehrstuhls der slavischen Philologie und der Facultät zu herrschen scheint, um sie zum Nachlassen zu bringen, in hohem Grade wünschenswerth wäre einen Slavisten kennen zu lernen, der keine Politik treibt und nicht von der zukünftigen Größe Sloveniens etc träumt – ich glaube, sag‘ ich, daß die Facultät sich bestimmen liesse den gerechten Wunsch Oblak’s zu erfüllen.

Vielleicht gehe ich zu weit, wenn ich sage, daß im Falle des Scheiterns der Angelegenheit, die ganze Schuld nicht die Facultät als solche, sondern denjenigen, der die Initiative dabei führt, treffen wird. Ich müsste eine zu geringe Meinung von der Facultät haben, wenn ich ihr nicht so viel ruhige Ueberlegung zutrauen wollte, daß sie sich nicht von der Leidenschaft werde führen lassen. Und es wäre wohl nichts als Leidenschaft und blinder Hass, wenn man einem im hohen Grade begabten jungen Forscher nur desswegen die Habilitation verweigern sollte, weil zufällig sein Object der Forschung – slavische Sprachen bilden.|3| Da müsste man ja auch Sie, Herr College, geringer schätzen, als sonst, da ja auch Sie häufig genug auf Slavica Rücksicht nehmen.

Leider ist Dr. Oblak so schwach, daß seine Lebenstage gezählt zu sein scheinen. Ich würde sonst darauf bestehen, daß er sich hier habilitiert. So, wie ich es Ihnen schon sagte, wollte ich ihm in Graz ein milderes Klima und besseren Aufenthalt verschaffen und zugleich Gelegenheit geben bei Ihnen und Prof. GMeyer so manches zu profitiren.

Ich appellire nochmals auf Ihre bessere Einsicht und hoffe, daß Sie Dr. Oblak gegenüber den officiellen Fürsprechern, im richtigen Licht vor der Facultät darstellen werden. Sie soll ihn nicht als den Repraesentanten einer slovenischen Invasion ansehen, sondern als einen sehr ruhigen, vorurtheilsfreien Mann der Wissenschaft, der den wissenschaftlichen Charakter und das Ansehen der Facultät nur steigern und erhöhen könnte.

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In dem Büchlein Korsch’s ist für Ihr Schema der Fragesätze nichts zu finden.

Mit vielen Grüßen

Ihr

g. erg.

V. Jagić

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 05034)