Vatroslav Ignaz Jagič an Hugo Schuchardt (30-05032)
an Hugo Schuchardt
28. 12. 1892
Deutsch
Schlagwörter: Universität Graz Albanisch Oblak, Vatroslav Graz Wien
Zitiervorschlag: Vatroslav Ignaz Jagič an Hugo Schuchardt (30-05032). Wien, 28. 12. 1892. Hrsg. von Claudia Mayr und Helena Reimann (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4785, abgerufen am 15. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4785.
Wien, 28.12.1892
19/5 Döblinger Hauptstraße 18
Sehr geehrter Herr Collega!
Ich komme zu Ihnen mit einer Bitte. In den nächsten Tagen wird Dr. Oblak in Graz beim Prof. Krek anfragen, ob er ihm an die Hand gehen will, damit sich dieser hoffnungsvolle junge Mann in Graz habilitire. Ich habe keine Ahnung davon, welche Aufnahme dieser Wunsch Oblaks beim Fachprofessor finden wird. Aber mit einiger Aussicht auf Erfolg glaub‘ ich Ihnen den braven jungen Mann empfehlen zu dürfen. Er ist leider von sehr schwacher Gesundheit und schon desswegen ist das rauhe Wiener Klima für ihn sehr gefährlich. Aber auch ein anderer Grund bestimmt mich ihm Graz zu empfehlen. Er |2| hat in Wien schon alles gelernt, was er hier von mir lernen konnte. Da er aber ein eminent grammatisches Talent ist, so würde er gerade bei Ihnen und Collegen GMeyer [sic!] 1noch sehr viel in seiner Richtung weiter lernen können, wenn Sie ihn unter Ihren Schutz nehmen wollten. Ich kann mit ruhiger Zuversicht sagen, daß er eines solchen wirklich würdig ist. Das ist unter allen meinen hiesigen Schülern der beste und der einzige, bei dem es mir gelang jeden nationalen Chauvinismus auszujäten und die Fahne echter Wissenschaftlichkeit hoch zu tragen. Hoffentlich werden Sie und Ihre Collegen einen solchen jungen Mann eher Ihrer Unterstützung für würdig finden, als jeden anderen, der Ihnen die politischen Combinationen später einmal aufdrängen |3| könnte. Ich rechne also auf Ihre Unterstützung, sofern nur der Fachmann keine unüberwindlichen Schwierigkeiten in den Weg legt.
Ich bitte Sie in ähnlichem Sinne auch beim Prof. GMeyer meinen Clienten zu empfehlen.
Ihr
g. erg.
V. Jagić
1 Gustav Meyer (1850-1900), Linguist, Indogermanist, Professor an der Lehrkanzlei für Sanskrit und vergleichende Sprachwissenschaft an der Universität Graz; besondere Bedeutung in der Erforschung des Albanischen.