Hugo Schuchardt Archiv

Wien, 21.10.1886

Hochverehrter Herr College!

Ich möchte Sie heute mit einem kleinen Anliegen im Namen eines Freundes aus Petersburg belästigen. Ein Herr Stassoff¹, guter Kenner der altrußischen Archaeologie, namentlich in der Kunst, beschäftigt sich in den letzten Jahren mit dem in den slavischen und griechisch-orientalischen Handschriften Ornamenten. Vor etwa 6 Jahren, gelegentlich einer Anwesenheit in Wien, copirte er für sein Werk aus den Papieren Prof. Karabaceks² 5 runde kreisförmige Ornamente, deren Original angeblich ein arabischer Koran des XII – XIII Jahrh.. im Johanneum in Graz aufbewahrt wird.  Herr Stassoff hat im Laufe der 6 Jahre von Herrn Karabacek auf keinen Brief eine Antwort bekommen; darum bat er mich jetzt persönlich meinen neuen Kollegen das Anliegen vorzutragen. Ich that es heute und Prof. Karabacek versprach in einigen Wochen die Antwort an Stassoff selbst zu schreiben. Ob er es thun wird, das weiß ich nicht. |2|

Es handelt sich um folgende Kleinigkeit: zu erfahren, ob jene Handschrift wirklich im Johanneum aufbewahrt wird und wenn ja, so möchte er wissen: welche Nr. sie in der dortigen Bibliothek führt und wie sie daselbst in dem Kataloge charakterisiert wird.

Könnten Sie nicht durch Bekannte in Erfahrung bringen, ob dieser Koran „kufitisch“ wirklich daselbst existirt, welche Nr. er jetzt führt, sind in demselben kreisförmige Ornamente vorhanden?

Sie würden mich und mittelbar meinem Freund Stassoff, der zu den anständigsten Rußen, die ich kenne, zählt, durch eine Beantwortung dieser Fragen sehr, sehr verpflichten. Ich würde Sie nicht damit belästigen, wenn ich meinem Schwager, der ein praktischer Arzt ist, eine solche Commißion mit Aussicht auf Erfolg zumuthen könnte!!

Nächstens werde ich Ihnen eine Vertheidigung Ásbóths in bekannter Frage zur Begutachtung vorlegen.

Mit freundlichem Gruß
[Abgeschnitten!]