Vatroslav Ignaz Jagič an Hugo Schuchardt (03-05015)
an Hugo Schuchardt
20. 12. 1884
Deutsch
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Zitiervorschlag: Vatroslav Ignaz Jagič an Hugo Schuchardt (03-05015). Sankt Petersburg, 20. 12. 1884. Hrsg. von Claudia Mayr und Helena Reimann (2022). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4763, abgerufen am 22. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4763.
St. Petersburg 20.12.1884
Sehr geehrter Herr College!
Ein kleines Unwohlsein machte es mir nicht möglich früher auf Ihr werthes Schreiben vom 6. d. M. zu antworten. Wenn Sie nicht selbst einen Recensenten für Ihr Werk auffinden können – in diesem Falle müßte ich die Anzeige möglichst bald bekommen – so übernehme ich gern die Verpflichtung dafür zu sorgen, daß das Werk schon im zweiten Heft des T. B. besprochen wird. Haben Sie daher die Güte es mir unter Kreuzband eingeschrieben zu schicken.
Das Wort тряпка, тряпица тряпьë es kann man nicht unmittelbar vom Verbum Tpeпaть (böhm.třepati) ableiten, so wohl bei der russ. Wortform Тряп - , wie bei der boehm. třapec spricht dagegen der Wurzelvocal. Vom Verb Tpeпaть hätte es eben so geben können трепка, трепица etc., wie es den Nationaltanz Трепакъ gibt.
|2|Die Bedeutung des boehm.třapeo, die Quaste, scheint auch fürs altrussische zu gelten, wo in der Urkunde von goldenen Gürteln und Kopftüchern mit seidenen Тряпки die Rede ist. Das Wort sieht weder im boehm. noch im russischen als entlehnt aus. Wenn es also aus der slavischen Sprache gedeutet werden soll, so wird man zur Wurzel* ТРѫПАТИ geführt, die durch das lit. trempiu „auf etwas scharf treten“ eine gewisse Bestätigung erhält. Unter трѫпица scheint also ursprünglich eine herabhängende Zottel gemeint zu sein.
Wenn im ruß. das Wort entlehnt wäre, so würde man es vor allem im polnischen erwarten, und doch gerade da finde ich es nicht. Auch das spricht für ein hohes Alter des Wortes.
Ich bedauere sehr, daß ich Ihnen keine bessere Auskunft zu geben vermag.
Erlauben Sie mir von der kleinen Notiz betreffs der Auslassung der Copula in |3| meiner Zeitschrift einen Gebrauch zu machen?
Mit freundlichem collegialischem Gruß
Ihr
ganz ergebenster
V. Jagić