Hugo Schuchardt an Malvine Schuchardt (05-10324)
von Hugo Schuchardt
14. 06. 1887
Deutsch
Schlagwörter: Baskisch
Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Malvine Schuchardt (05-10324). Sare, 14. 06. 1887. Hrsg. von Bernhard Hurch (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4605, abgerufen am 25. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4605.
Sare, 14 Juni 1887
Rasch vor Abgang der Post einige Zeilen an meine theuere Mama weniger um ihr Neues zu erzählen als um sie zu rascherem Tempo der Genesung und munterer Laune anzuregen. Vor allem ordentlichen Appetit kriegen ! Dein Sohn kann sich schon ein bischen Fasten erlauben; das Bäuchlein ist ganz geschwunden und vielleicht ist das für das Gesammtbefinden besser. – Das schon bejahrte Ehepaar in deren Haus ich wohne ist neulich |2| zurückgekehrt, ich befinde mich aber deshalb nicht schlechter. +) Es sind höchst gemüthliche Leute; und ich bin wirklich hier so zu Hause, wie ich es, als Fremder, nirgendwo mehr sein könnte. Für Jemanden der nicht das Interesse am Baskischen hätte, wäre freilich das Leben hier etwas zu monoton. Von Ereignissen lässt sich eigentlich nur die Fronleichnamsprocession erwähnen; nach derselben war Familiendiner bei meinen Hausherrn zu dem ich auch zugezogen war (sonst speise ich um 1 Uhr allein in demselben Lokal wo jene um 12 Uhr speisen). |3| Ländliche Verwandte! die Männer behielten während des Essens die Barette auf dem Kopf, wahrscheinlich um sich für die lange Entblössung desselben während der Procession schadlos zu halten. – Wir haben jetzt eine sehr anständige Hitze. Ich bin heute um 5 Uhr aufgestanden und einen der nächsten Berge hinangeklommen; ich fand es aber bald zu heiss und war 1/2 7 Uhr schon wieder zu Hause. Das Studium des Baskischen kostet unter solchen Umständen noch mehr Schweiss |4| als sonst. Mein Schuster muss sehr viel Geduld mit mir haben.
Mit tausend Grüssen
Dein treuer Sohn
+) Ich bezahle für meine Gemächer 40 frs. den Monat, dazu 10 fr. für Bereitung der von mir angeschafften Nahrungsmittel. Das ist doch billig genug!