Hugo Schuchardt an Bogdan Petriceicu Hasdeu (67-1195)

von Hugo Schuchardt

an Bogdan Petriceicu Hasdeu

Graz

09. 05. 1880

language Deutsch

Schlagwörter: Institut de France Prix Volneylanguage Rumänischlanguage Walisischlanguage Italienischlanguage Lateinlanguage Slawische Sprachen Hasdeu, Bogdan Petriceicu (1879) [o. A.] (1825) Cihac, Alexandru (1879)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Bogdan Petriceicu Hasdeu (67-1195). Graz, 09. 05. 1880. Hrsg. von Bruno Mazzoni (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4590, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4590.


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Graz, 9 Mai 1880

Verehrter Freund!

Wenn unsere Beziehungen jetzt auch einen etwas selteneren und kürzeren Ausdruck finden, so können Sie doch versichert sein, dass in ihrer Qualität sie dieselben sind, wie die früher — wenigstens was mich anlangt1. Nun wissen Sie aber, wie schwer es mir wird, Alles das zu bewältigen, was ich theils muss, theils will. Während der ganzen Osterferien war ich leidend und so habe ich von den hundert Dingen, die ich mir für diese Zeit aufgespart hatte, keine zehn erledigen können. Wenn ich Ihnen sage, dass seit meiner Rückkehr aus Spanien2 ich mit meinen dortigen Freunden, woran mir aus so verschiedenen Rücksichten liegen muss, noch nicht habe in Briefwechsel treten können! So habe ich denn Ihr Neuestes3 auch noch nicht mit der Sorgfalt angesehen, welche es verdient — eben aus Mangel an Zeit und Gesundheit, nicht aus Mangel an Interesse. Nicht einmal diejenigen Punkte, über die ich selbst in die Controverse verwickelt bin4, habe ich von Neuem zu erwägen vermocht. Nun kommt noch die Cihac’sche Polemik hinzu5 welche ich auch ganz genau, Schritt für Schritt zu verfolgen wünschte. Wegen des so interessanten kulturwissenschaftlichen Inhaltes Ihres zweiten Bandes bedauere ich allerdings, dass derselbe im Auslande nur auf einen immerhin beschränkten Leserkreis zu rechnen hat. Glauben Sie nur, dass das Rumänische den Ausländern weit mehr Mühe macht, als Sie denken, nicht weil es an sich eine so schwierige Sprache wäre, sondern weil die Hülfsmittel durchaus unzureichend sind. Ich versichere Sie, wenn ich Kymrisch lese, so fühle ich mich auf durchaus festem Boden; ich weiss, dies ist ein allgemein gültiges Wort, dies ein poetisches, dies ein veraltetes, dies ein neufabrizirtes. Beim Rumänischen werde ich die Unsicherheit nicht los; ich begegne einem selteneren Worte, der Eine sagt mir, es ist rumänisch, der Andere: es ist nicht rumänisch. Z. B. finde ich bei Ihnen opŭ, Nothwendigkeit angegeben = it.uopo u.s.w.; ist dieses interessante Wort ausgestorben, ist es mundartlich noch gebraucht6? Meine Wörterbücher lassen mich bei jedem Schritt im Stich. Über mein vădúvă habe ich mich sehr geärgert; aber ich habe es mehrmals (z.B. Ofener Wtb.: vădúv, vădúvă) so angegeben gefunden und entsinne mich nicht, irgendwo die Bezeichnung mit dem richtigen Akzent gesehen zu haben7. Worauf soll man denn bauen?

Indem ich also bitte, sich noch zu gedulden, kann ich Ihnen für heute nur sagen, dass — meiner aufrichtigen Überzeugung zufolge — Ihr zweiter Band8 sehr werthvolles und interessantes Material enthält, dass ich aber gewünscht hätte, es wäre etwas condensirt worden. Sie werden mir es nicht übel nehmen — ich sage es Ihnen gerade um Ihnen zu dienen — in Ihrer äussern Technik liegt Etwas, was Vielen nicht zusagt, was ihnen unbequem ist. Schon öfters habe ich von Leuten, die kein Rumänisch verstehen, also durchaus inkompetent sind, hören müssen, dass Cihac’s zweiter Band ein vortreffliches Werk sei9. Warum? weil die knappe und moderne Form dem Auge zusagt. Er imponirt desshalb schon den Franzosen10 (was die Form seiner Polemiken anlangt, so kann ich die freilich keine sehr glückliche finden)11. Kurz, ich denke Ihr grosser Aufwand von Fleiss, Gründlichkeit und Scharfsinn könnte noch besser an’s Licht gesetzt werden durch die Art der Darstellung.

Ich freue mich von Herzen über den Ehrenlohn, der Ihnen von der Akademie zu Theil geworden ist12 und wünsche Ihnen auch ferner alles Gute und Schöne.

Mit besten Grüssen

Ihr ergebenster

HS.


1 Lo Schuchardt risponde cosí all’interrogativo posto dal Hasdeu nella lettera che precede.

2 Lo Schuchardt era rientrato dalla Spagna alla fine di ottobre del 1879.

3 Si riferisce a CdB II e CdB S, su cui il Hasdeu gli aveva chiesto di esprimere un giudizio (v. LXVI e nn. 4 e 5).

4 Per la controversia riguardo al testo dell’introduzione dello Schuchardt a CdB si vedano in particolare le lettere relative ai mesi di aprile e maggio 1878.

5 V. LIV e n. 3; LXI, n. 4.

6 Cf. DLR, s.v. op1.

7 II Hasdeu nelle Addenda et corrigenda del Suplement aveva potuto scrivere: « Schuchardt greşesce la pag. XXIX, când ḑice că la Daco-românĭ se accentéză vădúvă, ĭar la Macedo-românĭ vèduă. Şi la noĭ acest cuvînt pórtă accentul pe prima silabă. Tocmaĭ acésta însă dovedesce, că el derivă din latinulvidua şi n’are a face cu slavicul vĭdòva » (CdB S, p. lxxv, 15 ).
L’Ofener Wörterbuch è l’altrimenti noto Lexicon Budanus (1825).

8 È ovviamente il tomo II di CdB.

9 V. LX, n. 1; LXI, n. 7.

10 L’Institut de France conferí infatti il premio "Volney" per la linguistica al Cihac per il secondo vol. del suo Dictionnaire d’étymologie daco-romane, cit.

11 V. supra, n. 5.

12 V. LXVI e n. 7.

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