Hermann Urtel an Hugo Schuchardt (58-12309)
von Hermann Urtel
an Hugo Schuchardt
02. 02. 1924
Deutsch
Schlagwörter: Literaturblatt für germanische und romanische Philologie Schuchardt, Hugo (1923) Urtel, Hermann (1926)
Zitiervorschlag: Hermann Urtel an Hugo Schuchardt (58-12309). Hamburg, 02. 02. 1924. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4557, abgerufen am 31. 05. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4557.
H. 2. Febr. 1924
Lieber hochverehrter Freund!
Zum 4. Februar sende ich Ihnen in alter Treue die herzlichsten Glückwünsche! Wie oft und viel habe ich Ihrer gedacht, auch wenn ich nicht geschrieben habe. Ich habe mich ganz in mein Gehäuse zurückgezogen; denn ich habe schwere schwere Schicksalszeit durchgemacht. Ich war – nur meine Familie weiss davon – mit einem ganz reizenden feinen Menschenkind (einer Thüringerin), das allerdings 26 Jahre jünger ist, verlobt, u. wir standen vor der Heirat, die Kinder hingen an ihr u. es war wirklich auch für mich grösste Seligkeit; da wirft ihr einer jener blöde erscheinenden Schläge der Natur einen Schleier über; Angstzustände, die an langsam keimenden Wahnsinn erinnern. Nun ist alles in unbestimmte Ferne gerückt, viell. für immer verloren! – |2| Wie sinnlos erscheint doch das Leben. Ich bin recht alt dadurch geworden. – Taus. Dank für Ihren Euphorion-Artikel1, der so schön ist u. nun gar die ,Primitiae‘2. Ach die sind fein! Ich will davon im Litbl. reden. – Ich habe begründete Hoffnung ganz von der Schule frei zu kommen, von der ich seit Herbst beurlaubt bin. Mein ,Maupassant‘ erscheint im Frühjahr bei einem Münchner Verlag.3 Gottlob. Wie gern drückte ich Ihnen einmal wieder die Hand! Wie schön, daß Sie alter hochragender Eichbaum noch immer so kräftig rauschen, daß mans in allen Ländern hört u. auflauscht.
Alles, alles Gute, Lieber, hochverehrter
Ihr getreuer
Urtel
1 „ Individualismus“, Euphorion, 16. Ergänzungsheft, 1923, 1-8.
2 Vgl. Anm. 8 zu Lfd. Nr. 26-12277.
3 Guy de Maupassant: Studien zu seiner künstlerischen Persönlichkeit, München: Hueber, 1926.