Hermann Urtel an Hugo Schuchardt (11-12262)
von Hermann Urtel
an Hugo Schuchardt
03. 02. 1913
Deutsch
Schlagwörter: Universität Hamburg Gauchat, Louis Doutté, Edmond
Zitiervorschlag: Hermann Urtel an Hugo Schuchardt (11-12262). Hamburg, 03. 02. 1913. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4508, abgerufen am 19. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4508.
Hbg. 3 Februar. 1913.
Hochverehrter lieber Herr Professor!
Morgen haben Sie nun das erste Jahr des siebenten Jahrzehnts zurückgelegt. Festliche Data sind nun einmal gute Stützbogen, an denen sich allerlei kleines Gerank emporwagen darf, das sonst am Boden verkümmern müsste. So ranken sich denn heute ein paar Blätter zu Ihnen hinüber, die Sie gern schon vor Jahresfrist erreicht hätten, die aber auch heute noch um nachsichtige Aufnahme bitten. Sie kommen nicht dem nahe, was der Gärtner gerne geboten hätte, |2| sie wollen für Ihren Geburtstagstisch nur ein wenig kränzendes Grün herbeitragen und guten Willen zu wachsen andeuten.
Es ist die erste Abhandlung der Ihnen von Schweizer Gelehrten zugedachten ,Étrennes helvétiques‘, deren Druck langsam vorschreitet.1Gauchat hatte mich freundlichst dazu aufgefordert und hat nun auch die vorzeitige Ausgabe meines Beitrags gütig gestattet.
Hoffentlich treffen Sie diese Zeilen in gutem Wohlsein, ohne die körperlichen Beschwerden, von denen Ihr letzter Brief meldete, für den ich noch nicht gedankt habe. Er hat |3| uns wirklich frohe Tage bereitet. Das Buch von Doutté2 habe ich fast durch, eine Unmenge interessantester Parallelen zeigt, was auf diesen Gebieten für Spanien und Portugal geleistet werden kann.
Seit Weihnachten haben wir hier nun – Gottlob – eine hamburgische alma mater in Aussicht.3 Sie können sich denken, was das für einen jeden wissenschaftlichen Arbeiter für Freude und für Aussicht auf Bereicherung bedeutet, wenn gleich man auch weiter nur philologischer „Gelegenheitsarbeiter“ bleiben wird. Denn ein Privatdozententum scheint mir unter einem gewissen Regime unmöglich.4|4| Ja, es werden hier noch viele interne Kämpfe sich abspielen müssen, ehe diese Universität zu stande kommt. Ich will weiter abseits von diesen Kämpfen ruhig mein wissenschaftliches Brot essen und nur hie und da mich selber ermutigen: „Unsere tägliche Illusion gieb uns heute“!
Nun noch einmal alles Gute für das neue Jahr und herzliche Grüsse von meiner Frau und Ihrem
Hermann Urtel
1 Vgl. Anm. 7 zu Brief Lfd.Nr. 03-12254.
2 Vermutlich Edmond Doutté, Magie & Religion dans l’Afrique du Nord, Algier 1909.
3 Die Hamburgische Universität wurde erst 1919 gegründet; zur Vorgeschichte vgl. Rainer Nicolaysen, „ Wandlungsprozesse der Hamburger Universität im 20. Jahrhundert “, in: Myriam Richter / Mirko Nottscheid (Hrsg.), 100 Jahre Germanistik in Hamburg. Traditionen und Perspektiven, Berlin-Hamburg 2011 (Hamburger Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte 19), 9-35.
4 Gemeint ist sein gespanntes Verhältnis zu Bernhard Schädel.