Ferdinand Blumentritt an Hugo Schuchardt (047-01084)

von Ferdinand Blumentritt

an Hugo Schuchardt

Leitmeritz

26. 09. 1883

language Deutsch

Schlagwörter: Biographisches Fremden-Blatt Artikulation Entlehnung Sprachkontakt (allgemein)language Küchendeutschlanguage Tschechischlanguage Deutsch Peters, Ignaz Teuber, Oskar Paula Entrala, Francisco de Pardo de Tavera, Trinidad Hermenegildo

Zitiervorschlag: Ferdinand Blumentritt an Hugo Schuchardt (047-01084). Leitmeritz, 26. 09. 1883. Hrsg. von Veronika Mattes (2013). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.442, abgerufen am 14. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.442.

Printedition: Mattes, Veronika (2010): "Sa Profesor Schuchardt munting alay ni F. Blumentritt": Die Briefe Ferdinand Blumentritts an Hugo Schuchardt. In: Grazer Linguistische Studien. Bd. 74., S. 63-237.


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Leitmeitz 26. Sept. 1883

Muy amigo mio:

Freue mich, dass die Ferien Ihnen zur Erholung gedient haben, ich führte im letzten Theile der Vacanzen das Leben eines Chiflado, indem ich alte Bauernhäuser schrecklich-schön in Aquarellmanier aufnahm und in den Wäldern nach knorrigen alten Kiefern umschau hielt. Leider sind meine Schritte Ihnen Materiale für das Küchendeutsch zuzuführen von schlechtem Erfolge begleitet gewesen, doch man kann nichts gegen ein widriges Kismet thun. Unter den Briefen werden Sie auch ein Schreiben Peters finden, er hat einen Anlauf genommen etwas zu thun, vielleicht über's Jahr wird er es vollenden. Ich ärgere mich sehr darüber. Oscar Teuber hat inzwischen Prag verlassen und ist nach Wien zum |2| "Fremdenblatt"1 übertreten.

Unter dem g ist das slawische unaspirierte k zu verstehen.

Bezüglich des Prachatitzer2 Deutsch wäre es am besten directe concrete Fragen an meinen Collegen Felix Wiesner zu richten, er ist ein gebürtiger Prachatitzer und gehört zu jenen Menschen, welche einen Brief wenigstens beantworten.

Ist nicht die Correspondenzkarte Labharts vom 3-8 Agosto datiert?3 Ich erhielt von ihm eine solche unter obigem Datum mit der Bemerkung, dass unter Xbd.4 ein Vocabular und Zeitungen mitfolgten, ich habe diese Drucksendung aber ebensowenig erhalten wie Sie, es ist das erstemal, wo etwas philippinisches mir verloren geht.

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Um den armen Entrala thut es mir leid, es ist schade um ihn. Pardo de Tavera schrieb mir vor kurzem aus Paris, es geht ihm, wie er mir mittheilt, jetzt gut.

Der Saatzer Dialect hat, wie allgemein gesagt wird, die meisten čechischen Worte aufgenommen, ich werde meine Frau5 hierüber inquisieren, doch muss eben bemerkt werden, dass der Schwiegervater ein Leitmeritzer, die Schwiegermutter eine Schluckenauerin6 (v.d. sächs. Grenze gegen die Lausitz zu) ist, meine Frau, welche bis zu ihrem 17ten Jahre in Sirbitz7 bei Podersam8 nächst Saatz lebte, kann daher den Dialect nur von den Mitschülerinnen gelernt haben. Veremos.

Inzwischen mit herzlichen Grüßen

Ihr getreuer

F. Blumentritt


1 Wiener Fremdenblatt, Tageszeitung.

2 Prachatice, Stadt in Südböhmen.

3 In jedem der drei erhaltenen Briefe Labharts an Schuchardt (vom 25.7., 18.8. und 25.8.1883, siehe Briefe 5884, 5885, 5886) ist von mitgesendetem Material die Rede. Um was es sich dabei handelt und ob davon etwas im Materialienband unter B.11.10.1. erhalten ist, ist leider nicht mehr nachvollziehbar.

4 Für: „unter Kreuzband“, der alte Ausdruck für Drucksachen mit verringertem Porto. Blumentritt kürzt das Wort Kreuz ikonisch mit „X“ ab (s. auch Brief Nr. 1115 und 1146).

5 Rosa Blumentritt.

6 Aus Šluknov (dt. Schluckenau), nördlichste Stadt Tschechiens, im böhmischen Niederland.

7 Sirbitz, Gemeinde im Landkreis Podbořany (dt. Podersam).

8 Podbořany (dt. Podersam), tschechische Stadt 14 km südwestlich von Žatec (dt. Saaz).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 01084)