Richard Riegler an Hugo Schuchardt (63-09650)

von Richard Riegler

an Hugo Schuchardt

Klagenfurt

02. 11. 1925

language Deutsch

Schlagwörter: Wörterbücher Etymologie Nachschlagewerke Rezensionsexemplar Politik- und Zeitgeschichtelanguage Germanische Sprachenlanguage Englisch Landtman, Gunnar Riegler, Theodor Sainéanu, Lazare (1925–1930)

Zitiervorschlag: Richard Riegler an Hugo Schuchardt (63-09650). Klagenfurt, 02. 11. 1925. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4398, abgerufen am 29. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4398.


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Klagenfurt, 2.11.1925.

Verehrter Meister!

Herzlichen Dank für das freundliche Schreiben!

Mein Ausflug nach dem Norden1 hat mir tatsächlich nicht gut bekommen. Es fehlte mir das nötige Rüstzeug und die Hilfe des Fachmannes, die sich jetzt – post festum – eingestellt hat. Much macht mich durch meinen ehemaligen Schüler Kranzmayer2 darauf aufmerksam, daß „tordyvel“ einem altengl. „tord-wifel“  entspricht, das nichts anderes bedeutet als Mist-Käfer* (*nach Falk-Torp3). So erlebt man seine Enttäuschungen nicht nur im Leben, sondern auch in der Wissenschaft. Man |2| hofft einen hehren Gott zu finden und stößt – auf ein Häufchen Kot. Immerhin bleibt noch die bei Landmann4 verzeichnete Tatsache, daß der Mistkäfer dem Gotte Tor geheiligt war. Allerdings müßte der Autor erst Beweise hierfür erbringen. Ich will nicht hoffen, daß er einfach aus dem Namen diesen kühnen Rückschluß gezogen hat, dann wäre meine Sache allerdings verloren.

Mein geologisches Verbrechen scheint mir jetzt minder schrecklich, da ich im Brockhaus gelesen habe, der Pillendreher gehöre zur „Sippschaft“ der Mistkäfer. Die beiden sind also doch verwandt. Ob „Sippschaft“ ein wissenschaftlicher Terminus ist, muß ich immerhin bezweifeln, doch ist der Artikel jedenfall[s] von einem Fachmann geschrieben.

Um Sainéan’s neuesten Werkes5 habhaft zu werden, blieb mir nichts anderes übrig als um ein Rezensionsexemplar an den Verleger zu schreiben. Ob der das |3| nötige Vertrauen hat, ist immerhin fraglich. Sainéan selbst ist gegen Deutsche ganz unzugänglich, d.h. wenn er sich nicht jetzt – nach Locarno – eines besseren besonnen hat.

Theo dürfte Herrn Hofrat unterdessen besucht haben, hoffentlich ist er nicht zu ungelegener Zeit gekommen.

Die Kleinigkeit, die ich Ihnen vorgestern sandte, haben Herr Hofrat wohl erhalten?

Mit den besten Wünschen für Ihr Wohlergehen von mir und Hermine

in Verehrung

Ihr

R. Riegler


1 Vgl. Anm. 5 zu Lfd. Nr. 62-09649 .

2 Eberhard Kranzmayer (1897-1975), österr. Sprachwissenschaftler und Dialektologe, Schüler von Rudolf Much (1862-1935), einem bekannten germanischen Altertumskundler.

3 Hjalmar FalkAlf Torp, Etymologisk ordbog over det norske og det danske sprog, Kristiania 1903-06.

4 Gunnar Landtman, Finlands svesnka folkdiktning. Övernatürliga väsen, Bd. 7, 1, Helsingfors 1919; vgl. dazu Riegler, HWA 6, 393-394.

5 Les sources indigènes de l’étymologie française, Paris 1925 (2 Bde.; Bd. 3 folgt 1930). Vgl. dazu Spitzer an Schuchardt am 22.9.1925 (HSA, Lfdr.Nr. 422-11177, ed. Hurch, 376-377). Rieglers Rez. findet sich in NSpr 34, 1926, 402-407.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 09650)