Richard Riegler an Hugo Schuchardt (27-09614)
von Richard Riegler
an Hugo Schuchardt
15. 09. 1919
Deutsch
Schlagwörter: Dankschreiben Publikationsversand Allgemeiner Deutscher Sprachverein Persönliche Treffen Biographisches Verleih von Publikationen Bittschreiben Bibliotheken und Bibliothekswesen Politik- und Zeitgeschichte Erster Weltkrieg Spitzer, Leo Graz Schuchardt, Hugo (1920) Pauli, Ivan (1919)
Zitiervorschlag: Richard Riegler an Hugo Schuchardt (27-09614). Klagenfurt, 15. 09. 1919. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4362, abgerufen am 02. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4362.
Klagenfurt, 15.9.19.
Hochgeehrter Herr Hofrat!
Haben Sie Dank für die freundliche Sendung!1 Schon vor einer Woche hatte ich übrigens die letzte Seite Ihrer Studie zu Gesicht bekommen, da nämlich Dr Spitzer mir seine Abhandlung über „marmouset, marmot“2 zugeschickt hat. Der Schluß seines Artikels und der Anfang des Ihrigen stehen auf derselben Seite. Mein Blick fiel auf Ihren Namen und so glaubte ich im ersten Augenblick, die Sendung |2| käme vom Herrn Hofrat und war offengestanden etwas enttäuscht, als ich sah, daß dies nicht der Fall sei, so sehr mich auch die Aufmerksamkeit Dr Spitzers freute.
Nun bin ich beruhigt, da ich sehe, daß mich Herr Hofrat doch nicht vergessen haben.
Die treffliche Prägung „Zooromanist3 – hoffentlich nicht nach Analogie wie V ---- kerl“ – wird gewiß das Entzücken des deutschen Sprachvereins hervorrufen. Das Wort ist wirklich zu schön für einen abgehausten Menageriebesitzer, dessen Tiere in den Kriegsjahren dem Hungertode nahe waren. Im |3| Ernst gesprochen, ich fühle mich wirklich sehr rückständig und als ich Dr Spitzer letzten Montag in seinem Zauberschloß am Wörthersee – von ihm bescheiden „Villa“ genannt – besuchte, hatte ich mehrmals Gelegenheit, mich meiner Zurückgebliebenheit in rebus romanisticis zu schämen. Wieviel ist mir in dem weltverlorenen Klagenfurt – poblacho de mala muerte nennt es Dr Spitzer – während des Krieges nicht entgangen! Dieser Dr Spitzer ist übrigens ein reizender Mensch, von großer Liebenswürdigkeit. Es waren Stunden der Anregung |4| und Ermunterung, für die ich ihm stets dankbar sein werde. –
Mit meinem Ansuchen um Versetzung nach Graz bin ich durchgefallen. Zu Allerheiligen hoffe ich Herrn Hofrat besuchen zu können. Zuletzt eine Bitte. Wären Herr Hofrat so gütig, mir die Schafstudie von Wartburg4 für einige Zeit zu leihen und vielleicht außerdem noch das Buch von IvanPauli, „Enfant, etc.“ dans les langues romanes5. Die Bibliotheken, die ja jetzt auch sehr rückständig sind, werden diese Bücher wohl noch nicht angeschafft haben.
Mit den besten Wünschen für Ihr Wohlergehen
Ihr
dankschuldiger
Riegler
1 „ Romano-baskisches ,Schaf‘, ,Lamm‘", ZrP 40, 1919, 100-103.
2 „ Franz. marmouset, marmot“, ZrP 40, 1919, 103-107.
3 Vermutlich hat Schuchardt im Begleitbrief zu seinem Sonderdruck Riegler scherzhaft einen „Zooromanisten“ genannt, weil er sich fast ausschließlich mit Tiernamen befasste, aber Riegler vermerkt durchaus die darin steckende Ironie. Nicht ganz klar ist, was er mit V----kerl meint: einen leichtsinnigen Menschen oder etwas Vulgäres?
4 Walther von Wartburg, Zur Benennung des Schafes in den romanischen Sprachen: ein Beitrag zur Frage der provinziellen Differenzierung des spätern Lateins, Berlin 1918 (Abhandlungen der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse 1918,10).
5 Ivan Pauli, „Enfant", „Garçon", „Fille" dans les langues romanes: étudiés particulièrement dans les dialectes gallo-romans et italiens; essai de lexicologie comparée, Diss. Lund 1919.