Richard Riegler an Hugo Schuchardt (25-09612)
von Richard Riegler
an Hugo Schuchardt
08. 04. 1917
Deutsch
Schlagwörter: Literaturhinweise / bibliographische Angaben Erster Weltkrieg Politik- und Zeitgeschichte Verleih von Publikationen Böttcher, Karl Rom Riegler, Richard (1907)
Zitiervorschlag: Richard Riegler an Hugo Schuchardt (25-09612). Klagenfurt, 08. 04. 1917. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4360, abgerufen am 03. 12. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4360.
Klagenfurt, 8.4.1917
Hochgeehrter Herr Hofrat!
Ihre Milzstudie1 habe ich mit großem Interesse gelesen und auch für meine Tiermetaphern viel daraus profitiert. Darf ich Herrn Hofrat darauf aufmerksam machen, daß S. 167 zu sp. pajarilla vielleicht auch das von Tobler gedeutete aloyar herangezogen werden könnte, wozu ich die Parallelen in meinem Buche S. 164 zu vergleichen bitte2. – Was das Verhältnis der Reichsdeutschen zu den Italienern anlangt, so find‘ ich der ersteren Entrüstung über den welschen Undank auch vollkommen begreiflich. Wir Österreicher haben uns über |2| die gegenseitigen Gefühle niemals Illusionen gemacht, während von reichsdeutscher, besonders preußischer Seite – abgesehen von d. katstrfl. Hilfeleistung 1866! – mit Italien ein wahrer Kult getrieben wurde. Es ist kein Zufall, daß die meisten Italienschwärmer unter den deutschen Schriftstellern Norddeutsche sind. Ich erlaube mir an Allmers, Heyse, Stahr, Hehn, Gregorovius, Kaden, Voß+ (+ dessen Abschiedswort an Italien, den Roman „Auch du, Brutus!“ besitze ich. Er steht zur Verfügung) zu erinnern!3 Die Hinneigung der Niederdeutschen zu Italien war meine ich nicht sowohl in der geographischen als in der ethnographischen Distanz begründet. Diese Liebe beruhte aber nicht auf Gegenseitigkeit. Dies hatte schon der Reiseschriftsteller Karl Böttcher im Jahre 1906 erkannt u. in seiner in Rom geschriebenen Broschüre „Germania im Auslande. |3| Ungemütliche Wahrheiten“ öffentlich ausgesprochen. (Steht gleichfalls zur Verfügung). Jetzt, da Böttchers Wahrnehmungen eine so blutige Bestätigung gefunden haben, gewährt die Lektüre der mutigen, aber leider in effekthaschendem Stil geschriebenen Broschüre einen eigentümlichen Reiz.
Wie ich aus Ihren wunderbar sicheren, keine Spur von Neurasthenie verratenden Schriftzügen ersehe, ist Ihr Gesundheitszustand vollkommen befriedigend, worüber sich von Herzen freut
Ihr hochachtungsvoll
ergebener
R. Riegler
1 Wie Anm. 1 zu Lfd. Nr. 24-09611.
2 Riegler, Das Tier im Spiegel der Sprache: ein Beitragzur vergleichenden Bedeutungslehre, Dresden 1907, 164-165 hier das Kapitel „Lerche“.
3 Hermann Allmers, Paul Heyse, Adolf Stahr, Victor Hehn, Ferdinand Gregorovius, Woldemar Kaden, Richard Voß.