Eugen Lerch an Hugo Schuchardt (02-06413)
von Eugen Lerch
an Hugo Schuchardt
19. 01. 1923
Deutsch
Schlagwörter: Korrespondenzbeilagen Manuskriptversand Hugo-Schuchardt-Brevier Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen Reflexion über das Publizieren Herrigs Archiv Max Niemeyer Verlag Lerch, Eugen (1923) Gumbrecht, Hans-Ulrich (2001) Christmann, Hans Helmut (1974)
Zitiervorschlag: Eugen Lerch an Hugo Schuchardt (02-06413). Pasing, 19. 01. 1923. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4303, abgerufen am 27. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4303.
Pasing vor München
Richard Wagnerstr. 30
19.I.23
Hochverehrter Meister!
Beifolgend erlaube ich mir, Ihnen eine Niederschrift meiner Besprechung des ,Breviers‘ (für Herrigs Archiv) zu senden; die diesem übersandte Fassung stimmt bis auf kleine Zusätze und stilistische Änderungen damit überein. Es wird nämlich mindestens ein Jahr dauern, bis sie erscheint (vorausgesetzt, daß dann überhaupt noch ein ,Archiv‘ erscheint:1 wer heute wissenschaftliche Aufsätze einschickt, gibt ein „flüchtig Blatt den Winden“2). Und in meiner Autoren-Eitelkeit bilde ich mir ein, es könnte Sie interessieren, was über Sie geschrieben wird. Rücksendung wird nicht erwartet, und wenn Sie sonst nichts damit anzufangen wissen, so benutzen Sie bitte die Rückseiten, um Wertvolleres darauf zu schreiben. |2| – Sobald ich von Niemeyer die bestellten Abzüge erhalte, werde ich mir gestatten, Ihnen mein „Imperfektum“ zu senden, dessen Schluß eben in der ZrPh erschienen ist3.
Mit den herzlichsten Wünschen für dieses Jahr, das unmöglich so trüb enden kann, wie es begonnen hat,
begrüßt Sie
in großer Verehrung
Ihr sehr ergebener
Lerch
Univ.-Prof. Dr. Eugen Lerch
München-Pasing, Richard Wagnerstr. 30
Hugo Schuchardt-Brevier. Ein Vademekum der allgemeinen Sprachwissenschaft. Als Festgabe zum 80. Geburtstag des Meisters zusammengestellt und engeleitet von Leo Spitzer. Gedruckt mit Unterstützung einer Anzahl schweizerischer Forscher und Lehrer. Mit einem Porträt Hugo Schuchardts. Halle, Verlag Max Niemeyer, 1922. 375 S. 8°.
Zum Ruhme H Schuchardts wäre nichts mehr zu sagen – wäre er nur in dem Grade, wie er berühmt ist, auch bekannt, auch gelesen. Aber darin steht es mit ihm nicht viel anders als mit Kant … Will man sein Verdienst und die Eigenart seiner Leistung in wenige Worte zusammenfassen, so wird man sie suchen müssen in seinem klaren Blick für den innigen Zusammenhang des Sprachlichen mit dem Seelischen und Sachlichen. Er, der Sohn eines Mannes, der noch bei Goethe zu Gast war; er, der weltgewandte, nicht nur in den Sprachen, sondern auch in den Ländern, den Literaturen, bei den Völkern heimische Gelehrte konnte niemals in den positivistischen Irrtum verfallen, als sei die Sprache ein Etwas, das sich isoliert, unabhängig von allen anderen Erscheinungen, ja sogar vom Bewußtsein der Sprechenden, nach eigenen Gesetzen entwickle – eine Anschauung, wie sich [gem. „sie“] in der Aufstellung von ausnahmslos wirkenden Lautgesetzen, in dem Schlagwort ,Sprachbiologie‘ und dergl. zum Ausdruck kam. Er, der gleich seinem Lehrer Diez und Jacob Grimm, noch in der Tradition des deutschen Humanismus wurzelt, hat die Ursachen der sprachlichen Wandlungen niemals in der Sprache selbst gesucht, |4| sondern in den Wandlungen der seelischen Einstellung der sprechenden Menschen, die natürlich wesentlich verschieden ist je nach dem jeweils erreichten Kulturzustand. So ist ihm die Sprachgeschichte zur Kulturgeschichte geworden, so ist er von den Wörtern zu den Sachen vorgedrungen; so hat er bei der Aufstellung seiner zahlreichen Etymologien den Akzent auf die begriffliche Seite gelegt, während andere mit dem rein Lautlichen, mit der Anwendung der ermittelten Lautgesetze in umgekehrter Richtung glaubten auskommen zu können und geradezu lehrten, die historische Phonetik bestehe für sich, unabhängig von der Bedeutung der Wörter – die Semantik dagegen befinde sich in enger Abhängigkeit von der Phonetik (ZrPh 26, 385ff., Brevier S. 102). So ist er denn in den Jahrzehnten, da die Sprachwissenschaft es den so erfolgreichen Naturwissenschaften gleich tun wollte und möglichst nach naturwissenschaftlicher Weise verfuhr (wobei nur leider die Sprache völlig isoliert, vom sprechenden Menschen und seinen seelischen Erlebnissen entfernt wurde), ein Außenseiter gewesen; vielleicht hängt es damit zusammen, daß er niemals ein Lehrbuch geschrieben hat. Erst heute, da die naturwissenschaftliche Denkweise mehr und mehr überwunden wird, ist seine Bedeutung ganz erkannt worden; zumal wir Jüngeren verehren in ihm unseren Führer und Meister. Er hat, wie Friedwagner sagt, zahllose Quadern zurechtgehauen für viele Teile eines neuen (von mir gesperrt) eines neuen Baues der romanischen |5| und allgemeinen Sprachwissenschaft; ohne Übertreibung könne man sagen, daß für lange Zeit hinaus nur mit solchen Formen und nach seinem Entwurfe wird gebaut werden können (Frkf. Ztg., 7.II.22).Zu seinen Anschauungen wird jeder sich bekennen müssen, der sich den offenen Blick für die Wirklichkeit der Sprache bewahrt hat; die isolierende, abstrakte Sprachwissenschaft war eine Verirrung, die nur in der Isolierzelle der Studierstube gedeihen konnte. Gilliéron, der Schöpfer des französischen Sprachatlas, der ihm die erste Serie seiner sprachgeographischen Studien gewidmet hat, hat seine Anschauung, daß die Sprache ein soziales Phänomen sei und nicht ein Organismus für sich, durchaus bestätigt, und zumal die Schweizer Romanisten (zu denen auch der unvergeßliche, in der Einleitung dieses Breviers leider nicht erwähnte Heinrich Morf gehört), die ihm bereits zum 70. Geburtstag mit einem Festband huldigten, und deren einer, Jakob Jud, das vorliegende Brevier angeregt hat, arbeiten4 in seinem Sinne weiter: Tappolet, wenn er als erster von der Bedeutungs- und Bezeichnungslehre fortschreitet (Die romanischen Verwandtschaftsnamen, Straßburg 1895), Gauchat, wenn er „Sprachforschung im Terrain“ treibt und die angebliche Einheit eines Dorfdialekts untersucht oder Jud mit seinen schönen wortgeographisch-kulturhistorischen Arbeiten, welche zeigen, wie die Sprachwissenschaft auch da noch etwas ermitteln kann, wo alle historischen Dokumente fehlen. – Und daß Voßler auf Schuchardts Schultern steht, weiß jeder, der seine Schriften kennt. – So kann der Meister denn heute eine stattliche Gefolgschaft sein eigen nennen, eine Gefolgschaft, die freilich durchaus nicht homogen ist |6| (sie vereinigt in sich so verschiedenartige Forschercharaktere wie Gilliéron und Voßler), die aber doch darin einig ist, daß sie hinter den sprachlichen Erscheinungen den deutenden und fühlenden Menschen sieht und die naturwissenschaftlich-mechanistische Sprachbetrachtung mit ihren „Lautgesetzen“ ablehnt, daß sie nicht mehr gerade die Gebiete der Sprachwissenschaft, in denen man von der Beziehung zum Bewußtsein des Sprechenden völlig absehen zu können glaubt, „in den Mittelpunkt der Forschung“ rückt. Und wenn Schuchardt selbst einmal gesagt hat, in aller Sprachwissenschaft komme den Romanisten die Leitung zu, weil sie in den Besitz der festesten Maßstäbe und der feinsten Werkzeuge gelangt seien, so gilt dieses stolze Wort nur insoweit, als mit seinen Maßstäben und mit seinen Werkzeugen gearbeitet wird. Dann aber werden Schuchardts Erkenntnisse auch für jedweden andern Zweig der Sprachwissenschaft fruchtbar werden, und so heißt dieses Brevier, das nur Äußerungen eines Romanisten bringt, mit Recht ein Vademekum der allgemeinen Sprachwissenschaft.
Da nun Schuchardts weit verstreute, z.T. auch im Buchhandel vergriffene Schriften längst nicht so bekannt sind, wie sie es sein sollten, war die Zusammenstellung dieses Breviers ein glücklicher Gedanke. Es konnte dafür auch kaum ein geeigneterer Zusammensteller gefunden werden als Spitzer, der dem Meister jedenfalls in der Zahl der beherrschten Sprachen noch am ehesten gleichkommt. [hier folgt Lerchs Anm. 1: Spitzer hat sich freilich der Anschauungsweise Schuchardts (und damit Voßlers) erst allmählich genähert: noch in seinem Aufsatz „Eine Strömung innerhalb der romanischen |7| Sprachwissenschaft“ (hier Bd. 141, S. 111 ff) nannte er Schuchardt nur als einen Vertreter der historischen Richtung (S. 130); er übersah, welchen Anteil Schuchardt (im Gegensatz zu anderen Vertretern der historischen Methode) dem Bewußtsein beim Sprechen zuschreibt (und nicht erst seit 1898, sondern schon seit 1866), und bestritt daher aufs Energischste die Notwendigkeit einer Neuorientierung der gesamten Sprachwissenschaft. – Angesichts dieser Annäherung Spitzers aber ist es mir Bedürfnis, eine von mir in der Besprechung seiner „Aufsätze“ (hier 140, 284) gebrauchte Wendung, die mißverstanden werden könnte, zu berichtigen. Ich sagte dort, Spitzer habe die (von ihm geteilte) kulturhistorische Ableitung von Faites moi escouter dazu benutzt, um in einer Fußnote (S. 142 seiner „Aufsätze“) der Voßlerschen Zurückführung sprachlicher Erscheinungen auf die besondere Geistesart von Völkern und Epochen einen Fußtritt zu versetzen. Mit letzterem Ausdruck wollte ich nicht etwa sagen, Spitzers Polemik an der angeführten Stelle sei ihrem Tone nach unangemessen (das ist sie durchaus nicht!), sondern lediglich, daß sie in diesem Zusammenhang deplaciert, an den Haaren herbeigezogen wirke, da Spitzer ja hier mit Voßler übereinstimmt; deshalb wirke sie feindselig. Und auch das war nur meine Empfindung, nicht Spitzers Absicht.]5
Spitzer hat sich seiner Aufgabe mit großer Sachkenntnis, die gerade hier nicht wohlfeil war, unterzogen; er hat sogar zu Schuchardts eigenem Verzeichnis seiner Druckschriften (1916) nebst Nachträgen noch eigene Nachträge gefunden, und dieses Verzeichnis von 744 Nummern (siehe Berichtigungen und Nachtrag S. 352f) geht dem Texte voran. Dieser selbst ist in 14 Abschnitte eingeteilt (Lautwandel und Lautgesetze, Sachen und Wörter, Sprachmischung, Sprachverwandtschaft, Sprachursprung, Sprache und Denken, Sprache und Nationalität und dergl.), und besteht aus Zitaten von sehr verschiedener Länge (von wenigen Zeilen bis zu 36 Seiten). Außerdem hat Spitzer eine kurze Einleitung beigesteuert und ein Sachregister von dankenswerter Ausführlichkeit.
An Ausstellungen sind nur wenige zu machen. Vor |8| allem die, daß Spitzer den Ton gar zu sehr auf das „allgemein“ im Titel gelegt und alles „Spezifisch-Romanische“ (das doch eben bei Schuchardt niemals spezifisch-romanisch ist, da auch jeder andere Philologe daraus Grundsätzliches daraus lernen kann) verbannt hat. So sind z.B. von den epochemachenden „Romanischen Etymologien I und II“ (aus den doch nur in Universitätsstädten erreichbaren „Wiener Sitzungsberichten“) nur 4½ Seiten abgedruckt, die eben nur das Allgemeinste enthalten. Auf diese Weise aber erhält man kein ganz richtiges Bild von der so ausgesprochenen Eigentümlichkeit6 des Meisters: man sieht ihn wohl vor der Arbeit – man lernt die Ideen kennen, von denen er (wie alle großen Gelehrten) ausgeht – und nach der Arbeit, wie er die Resultate zieht, die Ernte einheimst – aber man sieht ihn nicht bei der Arbeit, wie er ackert und pflügt und sät, wie er die Idee, von der er ausgeht, an den Tatsachen erprobt, sie revidiert, sie modifiziert – um sie dann erst gültig aussprechen zu können. Denn allgemeine Ideen über die Sprache oder über ein sonstiges Wissensgebiet sind billig wie Brombeeren – es kommt darauf an, daß sie vor den Tatsachen bestehen, daß sie an den Tatsachen erhärtert sind, und das ist ja gerade die Bedeutung der Schuchardtschen Lebensarbeit:daß er sich vor der Kleinarbeit, und mochte sie ihn noch so tief in die winzigsten Einzelheiten hineinführen, nicht fürchtete, dabei aber doch niemals die großen Gesichtspunkte, um derentwillen wir solche Kleinarbeit ja doch bloß unternehmen, aus den Augen verloren hat. Was uns weiter bringt, das sind eben |9| weder bloße allgemeine Ansichten (und seien sie noch so genial), noch auch bloße fleißige Kleinarbeit (und sei sie noch so undankbar und selbstverleugnend) – es ist allein die Verbindung beider, dieses Hinein in die Tatsachen und wieder Heraus, worin Schuchardts Meisterschaft gerade besteht. Sein Motto ist ja: „Das Kleinste nicht verachten und nach dem Größten trachten“. Kurz, der Extrakt dieses Breviers verhält sich zu dem wahren Schuchardt wie der Saft eines Apfels zu dem frischen Apfel (wobei nicht geleugnet werden soll, daß für gewisse Fälle auch der Apfelsaft seine Meriten hat). Ein gutes Brevier will die Kenntnisnahme des Gesamtwerkes nicht entbehrlich machen – sondern Appetit danach. Und deshalb kann auch folgender Satz der Einleitung (von anderem sei abgesehen) nicht unbeantwortet bleiben: Aufgabe des Herausgebers sei gewesen, das Ideengebäude Schuchardts „aus der Umklammerung des Speziellen, des Details, wie wir heute sagen: des Positivistischen loszulösen, Fern- und Tiefsichtspunkte zu eröffnen, ohne den Leser den Weg dahin nochmals zu führen“. Nein: Positivismus und Detailforschung sind durchaus nicht dasselbe, und den Gegnern des Positivismus liegt nichts ferner, als auch Gegner der Detailforschung zu sein. Positivismus ist vielmehr die Detailforschung ohne Gesichtspunkte, und andrerseits gibt es auch allgemeine Ideen, die ihrer Natur nach durchaus positivistisch sind (z.B. Comtes Hierarchie der Wissenschaften, die Tainesche Milieutheorie). Positivist ist vielmehr der, der das Kausalitätsprinzip in den Dingen sucht (statt im Menschen). [Anm. 2, Text s.u.] Aus Schuchardts Werk aber kann man das Positivistische einfach deshalb nicht erlösen, weil es nicht darin ist …
|10|Sodann hätte bei den einzelnen Abschnitten jeweils das Jahr des Erscheinens angegeben werden sollen, da sie ja nicht chronologisch angeordnet sind und es doch wissenswert ist, daß Schuchardt die betreffende Äußerung schon damals getan hat; es ist lediglich auf die Nummern des Verzeichnisses verwiesen, und aus diesem läßt sich die Jahreszahl freilich ermitteln. Es hätte aber auch umgekehrt im Verzeichnis der Schriften jeweils auf die abgedruckten Auszüge verwiesen werden sollen, da man doch gern wissen möchte, was man z.B. aus der Schrift für Miklosich (von 1884) hinten findet (es sind 4 verschiedene Stellen). Im Register endlich, das dankenswerterweise in Fußnoten jeweils auch sonstige, im Brevier nicht abgedruckte Stellen aufführt, vermißt man die Namen der im Text erwähnten Forscher; man will doch auch wissen, was Schuchardt z.B. über Diez oder über Meyer-Lübke oder über Schleicher geäußert hat. –
Entbehrlich ist dieses Brevier nur für den Philologen, der Schuchardt’s sämtliche Veröffentlichungen kennt und besitzt – und wer könnte das von sich behaupten? Wer es aber könnte, der brauchte dieses Buch erst recht: als Register mit Auszügen. Deshalb sind wir dem Herausgeber großen Dank schuldig, und es gibt keinen Philologen, der seine Auswahl nicht haben müßte.7
[Anm. 2: Also wenn man glaubt, daß die Laute sich entwickeln, daß die Wortformen und die syntaktischen Wendungen „sich“ gegenseitig analogisch beeinflussen oder „sich“ kontaminieren u. dergl. Als abgekürzte Ausdrucksweise mag man so sagen – nur soll man sich durch diesen Sprachgebrauch nicht verleiten lassen zu glauben, es verhalte sich wirklich so und man habe schon damit etwas erklärt. Vielmehr spielen sich all diese Vorgänge nur insoweit ab, als der sprechende Mensch und die Sprachgemeinschaft sie sich gefallen lassen, und warum sie sich’s mitunter (nicht immer!) gefallen lassen, das ist jeweils zu untersuchen; das ist die eigentliche Frage.
München [Namens- und Adreßstempel] Eugen Lerch.
1 Erschienen in ASNSpr 77. Jg., 145. Band, N.S. 45. Band, 1923, 134-137.
2 Ludwig Uhland, „Freie Kunst“, v. 19 („gieb ein fliegend Blatt den Winden“).
3 Vgl. Anm. 3 zu Lfd. Nr. 01-06412.
4 Im gedruckten Text S. 135 heißt es: „arbeiten – bei den Angehörigen eines Landes, wo einem die sprachliche Wirklichkeit so besonders deutlich entgegentritt gewiß kein Zufall – in seinem Sinne weiter: Salvioni, der Tessiner, und Tappolet, wenn sie als erste von der Bedeutungs- zur Bezeichungslehre fortschreiten (andere wie Zauner, Merlo, Luchsinger, Gilliéron, Jaberg, Gamillscheg, Spitzer, Gust. Huber, v. Wartburg usw. sind bald nachgefolgt), Gauchat …“
5 Hans Ulrich Gumbrecht hat dem gespannten Verhältnis Spitzer : Lerch einige treffende Bemerkungen gewidmet: „Seine [= Spitzers] Veröffentlichungen um 1920 lassen vielmehr ein fortwährendes Oszillieren zwischen dem eher ,idealistischen‘ und dem mehr ,positivistischen‘ Standpunkt erkennen. Welcher Seite er in jedem konkreten Fall den Vorzug gab, schien von der Position abzuhängen, von welcher er sich jeweils distanieren wollte. […] 1921 veröffentlichte er einen sehr aggressiven, um nicht zu sagen denunziatorischen Aufsatz gegen Voßlers Schüler Eugen Lerch, in welchem er nochmals die angebich ,nüchterne‘ Position des Positivismus einnahm, um Lerchs Programm, die Sprachwissenschaft, in eine Unterdisziplin der Kulturwissenschaften umzuwandeln, zu kritisieren. Voßlers Vorbild spielte für Lerch natürlich eine große Rolle – aber er bekam doch nur eine milde Dosis an expliziter Kritik“ (Gumbrecht, Leo Spitzers Stil, Tübingen 2001, Schriften und Vorträge des Petrarca-Instituts Köln, NF 3), 31-32. Vgl. weiterhin Hans Helmut Christmann, Idealistische Philologie und moderne Sprachwissenschaft, München 1974 (Internationale Bibliothek für allgemeine Linguistik, 19), passim (wichtig für die weitere Entwicklung Lerchs).
6 Im gedr. Text „Forscherpersönlichkeit“.
7 Dieser letzte Satz lautet im Druck: „Da es also keinen Philologen gibt, der dieses Brevier nicht haben müßte, hat der Herausgeber eine sehr verdienstvolle Arbeit geleistet“.