Otto von Reinsberg-Düringsfeld an Hugo Schuchardt (04-09360)

von Otto von Reinsberg-Düringsfeld

an Hugo Schuchardt

Altenburg

07. 05. 1869

language Deutsch

Schlagwörter: Sprichwörter Dialektologie und Sprachgeographie Sprachklassifikation Lexikographie Publikationsvorhaben Dettken u. Rocholl (Neapel) Friedrich Fleischer Verlagsbuchhandlung (Leipzig) Literaturbeschaffung Vertrieb und Absatz (Publikationswesen) Traditionen/Brauchtumlanguage Romanescolanguage Italienische Dialektelanguage Toskanische Dialekte Italien Leipzig Azzocchi, Tommaso (1846) Gubernatis, Angelo de (1869)

Zitiervorschlag: Otto von Reinsberg-Düringsfeld an Hugo Schuchardt (04-09360). Altenburg, 07. 05. 1869. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4290, abgerufen am 26. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4290.


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Altenburg, 7.5.69.
Stadt Gotha

Geehrtester Herr Doctor!

Bei genauerer Durchsicht der mir freundlichst mitgetheilten Sprichwörter sehe ich so eben erst, daß Sie sich die große Mühe geben wollen, eine gedruckte Sammlung für mich abzuschreiben. Das will ich Ihnen doch nicht zumuthen. Haben Sie lieber die Güte, mir das Buch selbst auf einige Tage zu schicken, damit ich gleich auswählen kann, was für uns paßt. Ich werde die romankeske Mundart mit (t. R.), toscanisch in Rom, bezeichnen, da sie nicht stärker von dem eigentlichen Toscanischen abzuweichen scheint, wie die florentinische oder lucchesische. Sind Sie nicht auch dieser Ansicht? Oder |2| sind die Sprichwörter im Vocabolario v. T. Azzocchi1 nicht aus Rom selbst, sondern aus einem Ort der Romagna?

Einige Worte sind mir fremd. So pila intronata und lang zompa. Pila heißt anderwärts Mörser und intronato dumm, im Romagnuolo würde aber tronato für tornato gesetzt werden?2 Ist zompà gleichbedeutend mit saltar? In der Romagna lautet dieses Sprichwort:

O magnê sta minestra, o saltê sta finestra.3

Sobald der Druck von unserem Lexicon beendet ist, stehen Ihnen meine handschriftlichen Sammlungen aus italiänischen Dialecten sämtlich sehr gern zur Verfügung. Jetzt bei der Correctur kann ich sie leider nicht entbehren, um immer nachsehen zu können.

Sollten Sie übrigens Bücher aus Italien wünschen, dürfen Sie sich nur an H. Rocholl|3| ( Buchhandlung Dettken u. Rocholl) in Neapel4 wenden; er hat die Freundlichkeit gehabt, auch mir gestern ein in Mailand neuerschienenes Werk über Hochzeitsgebräuche zu schicken5, wofür ich den Betrag in Leipzig an F. Fleischer6 bezahlen kann.

Mit herzlichem Gruß

Ihr

hochachtungsvoll ergebener

Reinsberg-Düringsfeld.


1 Tommaso Azzocchi, Vocabolario domestico della lingua italiana, Rom 1846.

2 Das römische Sprichwort „Pila intronata va ccent’anni pe‘ ccasa“ entspricht dem lat. „Malum vas non frangitur“.

3 Dieses Sprichwort könnte man etwa mit dt. „friß oder stirb“ wiedergeben“ (wtl. „entweder Du isst diese Suppe, oder du springst aus dem Fenster“).

4 Die Libreria Detken [sic] & Rocholl wurde 1836 an der Piazza del Plebiscito eröffnet und bestand, von Bernardo Johannowskj fortgeführt, bis 1950.

5 Angelo De Gubernatis, Storia comparata degli usi nuziali in Italia e presso gli altri popoli indo-europei, Milano 1869.

6 Die Fleischers waren eine bekannte Leipziger Buchhändlerfamilie, deren Geschäfte zum Zeitpunkt des vorliegenden Briefs von Carl Friedrich Fleischer († 1874) geführt wurden.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 09360)