Heinrich Morf an Hugo Schuchardt (33-07524)
von Heinrich Morf
an Hugo Schuchardt
28. 08. 1917
Deutsch
Schlagwörter: Biographisches Gesundheit Dissertation Publikationsvorhaben Schulze, Wilhelm Urtel, Hermann Schuchardt, Hugo (1917)
Zitiervorschlag: Heinrich Morf an Hugo Schuchardt (33-07524). Neubrandenburg, 28. 08. 1917. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4259, abgerufen am 03. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4259.
PROF. DR. H. MORF Neubrandenburg (Meckl.) 100 Kurfürstendamm BERLIN-HALENSEE d. 28.VIII.17.
Hochverehrter, lieber Freund,
Sie wären der Erste gewesen, der aus diesem sommerlichen Idyll einige Zeilen von mir erhalten hätte, wenn mich nicht der schreibfaule Wilh. Schulze mit seiner tausendjährigen rata im Stiche gelassen hätte1: auch auf eine Mahnung von hier aus ist er stumm geblieben, und da ich es nicht länger Ihnen gegenüber sein darf, so muss ich schreiben, ohne das Laoner Ms. genauer zitieren zu können. Das soll dann nach den Ferien geschehen.
Wie geht es Ihnen? Wir würden uns so sehr freuen recht Gutes zu hören, so Gutes als wir von uns melden können. Auf Veranlassung der Universität ist nun für meine spezifische Verpflegung das Nötigste vorgekehrt worden & dem Beispiel von Berlin ist auch der hiesige ,Ferien‘-Magistrat gefolgt. So läuft denn bei ausreichender Feuerung die Maschine ungestört & wir geniessen in vollen Zügen die kurzen Ferien (am 1. Okt. beginnt das Semester) hier inmitten von Wald & Flur, Flur & See & im Genuss eines |2| Herbstsegens, der in Berlin unbekannt ist. Freilich – Trautchen fehlt uns. Wir haben es – mit den anderen beiden Enkeln – im Winter bei uns in der Schweiz gehabt & es dort auch zurückgelassen. Nun ist es vorige Woche mit seiner Mutter nach Frankfurt zum einsamen Papa zurückgekehrt & der will’s nun vorläufig bei sich behalten, was wir dem Papa nicht verübeln können. Aber stündlich reden wir von dem, was die Kleine voriges Jahr verübt hat & was sie heuer verübte – hätten wir sie hier. – Trautchen erwidert herzlich die Grüsse des Onkels aus Graz, die ich ihm auf den Blumenberg – ob Hilterfingen am Thunersee – gesandt habe.
Meine Frau dörrt Gemüse für die schmaleren Wochen, lernt schustern, für kältere Tage und malt für die Gegenwart. Und habe ich genug Romanica getrieben, so hole ich sie aus der Küche oder von der Staffelei zu einem Gang über den Wall des Städtchens oder durch den Wald am See, und wir sprechen von der schönen gemeinsamen Vergangenheit – denn wer mag mit Vertrauen von der Zukunft reden! Mein Optimismus ist schon so oft Lügen gestraft worden, dass er sich gar nicht mehr an’s Licht wagt. Man muss zufrieden sein, dem Gebote der Stunde zu genügen. Ich lese – Dissertationsmanuskripte!
Urtel’s ,Iberisches in Südfrankreich‘2 wird nächstens erscheinen.
|!|Die Korrektur Ihrer Sprachenverwandtschaft werden Sie erhalten haben?
Mit den herzlichsten Grüssen & Wünschen von uns beiden.
Ihr ergebener
H. Morf.3
1 Vgl. Anm. 2 zu Lfd. Nr. 32-07523.
2 S. u. Anm. 1 zu Lfd. Nr. 34-07525.
3 Die letzten drei Zeilen stehen auf dem oberen Rand der ersten Seite.