Heinrich Morf an Hugo Schuchardt (29-07520)

von Heinrich Morf

an Hugo Schuchardt

Wildhaus

15. 02. 1917

language Deutsch

Schlagwörter: Einschreiben Nachsendung Manuskriptversand Sitzungsberichte der königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften Frauen in der Wissenschaft Personennamen Festschrift Sprachen in Chile Bulletin du Glossaire des patois de la Suisse romande Rezension Schuchardt, Hugo (1917) Schuchardt, Hugo (1917)

Zitiervorschlag: Heinrich Morf an Hugo Schuchardt (29-07520). Wildhaus, 15. 02. 1917. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4255, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4255.


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Wildhaus, 15.II.17

Hochverehrter, lieber Freund,

Eben erhalte ich Ihren eingeschriebenen Brief vom 9. Febr. mit den interessanten Nachträgen zu Ihrer akademischen Abhandlung: auch er hat den Umweg über meine Berliner Adresse gemacht & war am 11. in Berlin. Inzwischen werden Sie wohl meine Zeilen vom 7. Febr. erhalten haben; ebenso wird das Ms. Ihrer Abhandlung nun in Berlin sein1, wohin es von hier am 7. eingeschrieben abgieng. – Es ist wohl besser, Ihre Nachträge nicht erst nach Berlin zu senden, sondern dieselben wieder an Sie gelangen zu lassen, damit Sie sie dann gleich in die Fahnenkorrektur einfügen können, die Ihnen wohl umgehend von Berlin zugehen & vielleicht vor dieser meiner Sendung bei Ihnen eintreffen wird. –

Wir sagen in Berlin zu den unverehelichten Doktorinnen: Fräulein Doktor. – Sollte die akzentlose Form Sekretan nicht nur bei dem deutschen Ableger der Familie Secrétan, sondern wirklich auch im Welschland vorkommen? Ist Secretan nicht einfach eine Entfranzösisierung wie Pringlé, Lampé etc. eine Entdeutschung? - Brandès ist wohl für die Franzosen jeder= |2| zeit geschrieben worden, um die Aussprache brãd zu vermeiden. Und das ist vielleicht auch der Ursprung der Graphie des Frankfurter Namens Lampé. Im Elsass gibt es Schnée und Schnee, je nach der politischen Stellung der Familie. – In der Festschrift für F. Brunot gibt es eine Arbeit über den Wechsel von e (ɘ) & é in Graphie & Aussprache2; doch ist darin wohl von Eigennamen nicht die Rede. Cf. auch Jeanjaquets Aufsatz über Genevois etc. im Bulletin du Glossaire3. – Ich bin sehr begierig, Ihre Anzeige des Saussure’schen Buches (ed. Bally & Séchéhaye [sic], nicht wahr?) über allgemeine Linguistik zu lesen.4

Es bekümmert mich, dass Sie in Ihrem Briefe davon sprechen, dass es Ihnen zeitweise wenig gut geht. Meine Frau & ich senden Ihnen die herzlichsten Wünsche für Ihr Wohlergehen. Könnten wir Ihnen vom Überfluss an Sonnenschein, der nun hier schon mit dem Schnee aufräumt, obwohl wir 1100 m hoch sind, in die Niederung senden, oder Sie hier herauf holen!

Mit den herzlichsten Grüssen von der Kolonie Morf (mit allem drum & dran: 9 Köpfe)

Ihr getreuer & verehrungsvoller
H. Morf.


1 Sprachverwandtschaft, SB der Kgl. Preuss. Akad. d. W., 1917, 518-529 (am Ende der Hinweis „Ausgegeben am 6. September“).

2 Der einzige Beitrag, der in Frage käme, stammt von Th. Rosset , „E féminin au XVIIe siècle“, 433-450, Mélanges de philologie offerts à Ferdinand Brunot, professeur d'histoire de la langue française à l'Université de Paris, à l'occasion de sa 20 e année de professorat dans l'enseignement supérieur, par ses élèves français et étrangers, Paris 1904

3 Jules Jeanjaquet, „Genevois ou génevois?“, Bulletindu Glossaire des patois de la Suisse romande 1908, 60-63.

4 Anzeige von: F. de Saussure, Cours de linguistique générale, Literaturblatt für germ. u. rom. Philologie 38, 1917, 1-9.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 07520)