Heinrich Morf an Hugo Schuchardt (13-07504)
von Heinrich Morf
an Hugo Schuchardt
12. 03. 1911
Deutsch
Schlagwörter: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen Wilhelm Frick (Verlag) Nachschlagewerke Publikationswesen Zeitschrift für romanische Philologie Publikationsvorhaben Rezensionsexemplar Gröber, Gustav Jud, Jakob Schuchardt, Hugo (1911) Elwert, W. Theodor (1997)
Zitiervorschlag: Heinrich Morf an Hugo Schuchardt (13-07504). Berlin, 12. 03. 1911. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4239, abgerufen am 01. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4239.
Frankfurt a. M., Klettenbergstr. 8 Redaktion (überstempelt mit: Berlin-Halensee des 100 Kurfürstendamm) „Archiv für das Studium der neueren Sprachen“ 12. März. 11 --- Verlag von Georg Westermann in Braunschweig --- Schriftleitung Prof. H Morf1 □
Hochverehrter Herr Kollege,
Ich theile Ihre Auffassung, dass es erwünscht ist, wenn ein Nachschlagewerk in seinen Verweisen auch den Verfasser nennt & dadurch schon eine vorläufige Orientierung schafft. Doch ist die Frage der Aufnahme Ihres Artikels in’s Archiv2 selbstverständlich nicht davon abhängig, ob der Redaktor Ihre Auffassung theilt oder nicht. Dem Archiv könnte genügen, dass Sie ihm etwas einsenden & dass das Eingesandte eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat – wenn die Verhältnisse normal wären. Leider sind sie es zur Zeit nicht. M.-L. ist gegen das Archiv & seinen roman. Redaktor gereizt & hat in gereizten Zuschriften ihm Parteilichkeit vorgeworfen. Wenn Ihre Bemerkungen zu seiner Zitierweise statt in Gröbers Zeitschrift, wo Sie sich bisher auseinandergesetzt haben, plötzlich vom Archiv |2| gebracht würden, so würde das leicht als Bestätigung der – ganz imaginären – Feindseligkeit des Archivs gedeutet werden können & neue Empfindlichkeiten schaffen. Dem möchte ich, offen gestanden, aus dem Wege gehen, aus Friedensbedürfnis. Ein Gesamtreferat über M.s Etym. Wörterbuch I, wird natürlich auch das Archiv bringen, ohne Ansehung der Person, da ihm ein Rezensionsexemplar zugegangen ist. Der Referent ist J. Jud – Zürich.3
Darf aber das Archiv nicht einmal – zum vierzigjährigen Jubiläum Ihrer Mitarbeiterschaft4 an der einst sogenannten „Totengruft“ – einen Beitrag von Ihnen erwarten? Ich wäre sehr stolz darauf, Sie diese Mitarbeiterschaft erneuern zu sehen.
Uns, dh. meiner Frau & mir – denn die verheiratheten Kinder haben wir in Frankfurt zurückge- |3| lassen5 – gefällt es hier sehr. Die grosse Aufgabe schafft neue Arbeitslust. Welche Freude wäre es für mich, Sie einmal hier begrüssen zu können!
Entschuldigen Sie freundlichst, dass ich Ihr stolzes Papier, meinen kleinen Verhältnissen entsprechend, nochmals gebrochen habe & zürnen Sie mir nicht wegen meiner Ablehnung.
Ihr verehrungsvoll ergebener
H. Morf.
1 Morf hatte Tobler im Jahr 1903 als romanistischer Herausgeber abgelöst und übte seine Herausgeberschaft bis 1914 aus, als Oskar Schultz-Gora ihm nachfolgte.
2 „Zu Meyer-Lübkes ,Romanischem Etymologischen Wörterbuch‘“, ZrP 1911, 383-384. Schuchardt kritisiert, dass Meyer-Lübke bei den einzelnen Etymologien zwar die Quelle, aber nicht den jeweiligen Verfasser nennt. Er verhindere dadurch weitere Auseinandersetzungen und bevorzuge seine eigenen Deutungen: „Stünde mein Name neben der Zeitschriftenstelle, so dürfte ich vielleicht hoffen daß auch meinen Ausführungen einige Aufmerksamkeit geschenkt würde; ,oft verleiht‘ – sagt M.-L. – ,der bloße Name ihres Urhebers einer Etymologie einen gewissen Grad von Sicherheit‘. Und ist das nicht auch auf M.-L. selbst anwendbar? Kurz, wer auf breitem Strom unter stolzem Wimpel bequem dahin segeln kann, wird keinen Anreiz verspüren namenlose Nebenflüsse aufzusuchen“ (384).
3 Jakob Jud, ANSpr 127, 1911, 416-438.
4 „Zu Brinkmanns Metaphern“, Herrig's Archiv 47, 1871, 347-349.
5 In der NDB 18, 1997, 100-102 (Th. W. Elwert) wird das Ehepaar fäschlich als kinderlos bezeichnet. Da die Familie in den folgenden Briefen eine gewisse Rolle spielt, seien die Daten nachgeliefert. Die Morfs hatten zwei Töchter, Frida (geb. 13.6.1881 Bern) und Bertha (geb. 21.3.1884 Bern). Frida heiratete am 24.8.1906 in Frankfurt den aus Dißen, Bezirksamt Landsberg stammenden, aber in Zürich residierenden Chemiker Dr. Alfred Friedrich Simon Lehner ; Berta am 24.9.1906, ebenfalls in Frankfurt a.M., den Oberlehrer Dr. Gustav Noll aus Bad Orb (freundl. Auskunft StadtArch Frankfurt a.M.). Das Ehepaar Lehner hatte einen am 12.10.1910 in Kelsterbach geb. Sohn Rolf Friedrich , der 1938 an der ETH Zürich in Chemie promovierte; das Ehepaar Noll eine am 26.2.1911 geb. Tochter ( Traute , Gertraud, Gertraut ? ). Berta Noll wanderte 1949 nach Brasilien aus; Frida Lehner-Morf nahm später den Namen Munira an und bekannte sich zum Sufismus.