Heinrich Morf an Hugo Schuchardt (10-07500)
von Heinrich Morf
an Hugo Schuchardt
02. 01. 1901
Deutsch
Schlagwörter: Dankschreiben Publikationsversand Stammbaumtheorie Biographisches Universitäre Lehre Fischfang Literaturhinweise / bibliographische Angaben Korrespondenzbeilagen Neujahrsgrüße Meyer-Lübke, Wilhelm Schuchardt, Hugo (1900) Schuchardt, Hugo (1900) Schuchardt, Hugo (1905)
Zitiervorschlag: Heinrich Morf an Hugo Schuchardt (10-07500). Zürich, 02. 01. 1901. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4235, abgerufen am 04. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4235.
Prof. Dr. H. Morf 29 - Pestalozzistrasse - 29 Zürich V Zürich, 2.1.01
Hochgeehrter Kollege & Freund,
Dass Sie so freundliche Worte für meine „Deutschen & Romanen“ sandten1, hat mich um so mehr gefreut, als ich Ihnen noch gar nicht geschrieben hatte, wie sehr ich Ihnen für die Übersendung Ihres als Manuscript gedruckten Probevortrags2 von 1870 dankbar bin. Derselbe erreichte mich Anfangs August in der Sommerfrische. Mit dem Vergnügen der Lektüre verband sich das Bedauern darüber, dass diese inhaltsreiche Rede nicht damals gedruckt worden ist, als sie gehalten wurde. Wie wäre uns Studenten von Anno 1875 eine solche Darlegung zu Statten gekommen! Wir hätten da Dinge gelernt, über die uns überhaupt nichts gesagt wurde, oder die uns lebensunwirklich dargestellt wurden. Für mich wäre Ihre Auffassung mit einer Befreiung aus trockenem Schulstaub gleichbedeutend gewesen. Auch ich habe mich in meiner Berner Antrittsrede von 18793 mit der Frage des Stammbaums abgemüht – ich brauche nur eine Seite des vergilbten Manuskripts heute zu lesen, um zu erkennen, wie Noth mir ein befreiendes Wort wie das Ihrige gethan.
Meine Schüler sind übrigens gewohnt, von mir zu hören, dass H. Schuchardt expressis verbis oder in Form von Andeutungen & Anregungen vor Jahren & Jahrzehnten die Lösung von |2| Problemen gegeben oder vorbereitet hat, die neuerdings von Andern gelöst werden, und dass, wer sich auf dem romanischen Gebiete forschend bemüht & in die Tiefe dringt, in dieser Tiefe auf keines Andern Spuren häufiger stösst als auf die Ihrigen. –
Entschuldigen Sie freundlichst, dass ich auf Ihre Frage die schweiz. Fischereiliteratur betreffend erst jetzt antworte4; ich lege die Zeilen eines Fachmanns bei5, an den ich mich seiner Zeit gewandt habe. Seit Beginn des Semesters bin ich durch meine elf Stunden Vorlesungen übermässig in Anspruch genommen, so dass ich das Schreiben wohl oder übel auf die Ferien verschieben muss.
Dass Sie von Ihrer Lehrtätigkeit zurückgetreten sind, habe ich von Meyer-Lübke, der im Oktober hier war, vernommen. Wenn ich es einerseits aufrichtig bedaure, dass Ihr Gesundheitszustand Sie zu diesem endgültigen Verzichte zwingt, so freue ich mich andererseits der Aussicht, dass Sie nun für die Unterweisung Ihrer erwachsenen Fachgenossen mehr Musse haben und dass wir nun um so mehr werden von Ihnen lesen können.
Ich lasse diese Zeilen über Graz gehen, von wo sie den Weg nach dem Süden (Fiume?) schon zu Ihnen finden werden. Der Sommer bringt Sie dann vielleicht wieder in die Schweiz. – Möge 1901 für Sie ein recht wohlthätiges & ergebnisreiches sein!
Mit den aufrichtigsten Grüssen & Wünschen
Ihr dankbarer
H. Morf.
1 Deutsche und Romanen in der Schweiz, Zürich 1901. Morf spielt wohl auf eine briefliche Äußerung Schuchardts an.
2 Über die Klassifikation der romanischen Mundarten (Leipziger Probevorlesung von 1870), Graz 1900.
3 Genauer Titel nicht ermittelt.
4 Wie sehr sich Schuchardt für dieses Thema interessierte, belegt „Anzeige von: J. Jankó, Herkunft der magyarischen Fischerei“, Mitt. der Anthrop. Ges. in Wien 30, 1890, 158-167, aber besonders die Mussafia-Festschrift, Vgl. Lfd.Nr. 07502.
5 Nicht erhalten; zu denken ist an Isidor Hofer (1857-1916), der verschiedentlich zur Fischereiterminologie publiziert hat.