Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (144-090)

von Hugo Schuchardt

an Georges Lacombe

Graz

29. 08. 1911

language Deutsch

Schlagwörter: Leizarraga, Joanes Dodgson, Edward Spencer Duvoisin, Jean-Pierre Oihenart, Arnaud d´ Vinson, Julien Azkue y Aberasturi, Resurrección María de

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (144-090). Graz, 29. 08. 1911. Hrsg. von Katrin Purgay (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.4077, abgerufen am 02. 10. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.4077.


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Graz 29. Aug. 11

Sehr geehrter Herr und Freund,

Ich habe soeben die Korrektur meines Artikels erhalten und werde sie sofort erledigen, auch ohne das Mskr. vor Augen zu haben. Hoffentlich kann ich es bei der 2. Korrektur benützen; denn wenn ich auch in diesem Falle alle Zitate revidieren kann, so würde mir doch etwas Weggelassenes leicht entgehen.

Da ich jetzt die erste Ausgabe der Philotea besitze, so werde ich vielleicht die Zitate nach dieser umändern. Von solchen Artikeln erhalten wir Deutschen immer 3 Korrekturen; und ich möchte nun auch die französische Druckerei um 3 bitten.

|2| Was nun mein Leizarragana anlangt, so schwebt Ihnen wohl vor das: „Défiez-vous des faiseurs d’ana!“ und Sie ersetzen es durch –iana. Ich will die Sache nicht sprachgeschichtlich verfolgen; ich könnte auf Roma – Romanus[,] Mantua ‒ Mantuanus, Sulla ‒ Sullanus, urbs ‒ urbanus usw. verweisen, und Sie würden mir dann eine Menge Fälle der jedenfalls sekundären, aber schließlich überwiegenden Endung –ianus entgegenhalten. Lassen wir das also und begnügen wir uns mit dem Nützlichen. Daß man Leizarragana sagen kann, werden Sie wohl nicht bestreiten (vgl. z.B. Scaligerana nusquam antehac edita); hingegen ist Leizarragiana deshalb bedenklich weil man dann nicht an einen Lissarague denken würde, sondern an |3| einen Lissarage (Menagiana ist ja von Ménage). Oder würden Sie von Vauvenargues bilden: Vauvenargiana? Im Deutschen ginge die Sache allenfalls; aber der Franzose würde Leizarax̌iana und der Spanier Leizaraxiana aussprechen, also den Namen entstellen. Für das Romanische würde ich, soll es bei –iana bleiben, Leizarraguiana (und ital. Leizarraghiana) verlangen. Aber Leizarragana befriedigt in allen Sprachen, und instinktiv hat auch DodgsonLeiçarragan gebraucht. Also bitte, lassen Sie mir mein –ana und zürnen Sie mir nicht.

Meine Karte mit der Frage bezüglich des hinterlassenen Kommentars von Duvoisin zu Oihenart und der andern wegen des Verfassers von Bi saindu… (Vinson 378) haben Sie wohl nicht erhalten? In letzterem |4| Buche findet sich mehrmals nabari oder viel mehr nabadi (diese Form ist auch bei Azkue verzeichnet). Es ist doch merkwürdig daß mir noch nicht zwei Bücher in lab. oder niedernav. Sprache vorgekommen sind die in Schreibung und Lautlichem, in den Formen, in der Syntax, im Wortschatz vollständig übereinstimmten. Ich habe gestern die Fabeln von Goyhetche wieder zur Hand genommen und habe da von anderem abgesehen, eine Interpunktionsweise festgestellt wie sie wohl kein zweites Mal vorkommt. Für das Buch von Dr Dechepare bin ich sehr verbunden; hätten Sie die Güte ihm meinen Dank zu vermitteln? Ich werde demnächst beginnen darin zu lesen.

Pedoil ist ohne Zweifel das bearnische pedoulh.

Mit herzlichem Gruß

Ihr erg.

H.Sch.

Ich schicke die Korrektur direkt an Protat:

|5| Zu Ihren Leiç.-Bemerkungen vom 21. Aug.:

Röm. 1. Üb. Ich glaube es ist zu schreiben: Euangelioa. Apostolu. So steht ja Euangelioa allein auch zu Vers 16, ebenso I Pet. 1(12).

Apoc. 2,15. Cein baita nic daritzadan gauçá. Allerdings regiert daritzat den Dativ, aber gauçari kann doch nicht stehen; denn der Satz ist ja so viel wie cein baita gaucá [sic] cein(ar)i nic daritzat.

Apoc. 3,4. und 19,12. Cembait und hainitz werden bald als Singulare, bald als Plurale konstruiert. Nebenbei statt dakharken sollte in letzterem Fall bei Inchauspe, d.h. bei Axular stehen: dakharzken... Wo ist denn die von Ihnen angeführte Form dakharkitzen heimisch?

Apoc. 5,6.Nehorc hila beçala Sie wollen nehorez, aber Sie sind ja in andern Fällen stets für den |6| Aktivus auf -k. Derselbe kann nur eintreten wenn das Partizip ohne das intransitive Verbum finitum („sein“ oder „werden“) steht

nehork hil zezan

nehork hila da

nehorez hil zedin oder izan zen

Apoc. 12,10. Christ harenaren, um die Aufeinanderfolge zweier Genetive zu vermeiden. haren Christen contra steht aber Act. Ap. 4,26.

Apoc. 13,17 Mercá luenec. Ist nicht etwa luenéc gemeint? Merca entspricht dem gask. marco.

Apoc 19,5. Guciéc usw. sind richtig; es muß ja beim Transitiv der Aktivus stehen; im Singular hieße es ja landa eçaçu çuc (nicht çu).

Ich fühle mich heute ein wenig besser als in der ganzen letzten Zeit. Nicht die starke Hitze ist mein Feind, sondern der Feuchtigkeitsgehalt der Luft, den Sie auch an der fließenden Tinte in diesem Brief ermessen können. – Besten Dank noch für die San-Sebastianer Bestrebungen!

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Fondo Lacombe (Euskaltzaindia). (Sig. 090)