Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (099-066)

von Hugo Schuchardt

an Georges Lacombe

Graz

21. 03. 1910

language Deutsch

Schlagwörter: Urquijo Ybarra, Julio de Harriet, Maurice Azkue y Aberasturi, Resurrección María de Linschmann, Th. Larrieu, Jean-Félix

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (099-066). Graz, 21. 03. 1910. Hrsg. von Katrin Purgay (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3995, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3995.


|1|

Graz, 21.3.’10

Sehr geehrter Herr und Freund,

Meine Kreuzbandsendung – eine gleiche geht an de Urquijo ab – begleite ich mit einigen Worten.

Die ganze Abhandlung würde für einen Nichtfachmann schwierig zu verstehen sein. Wir Sprachforscher bedienen uns einer abgekürzten Ausdrucksweise, und dabei hat wieder jeder von uns seine Eigentümlichkeiten. Dass hypothetische Formen mit einem * bezeichnet werden, das wissen Sie ja wohl; aber schwerlich was bei mir ein * bedeuten soll; Ich setze den Stern unten vor einer lat. Wortform wenn ich darunter die |2| Gesamtheit der ihr entsprechenden romanischen Formen verstanden haben will, z.B. *factum ist so viel wie fait, fatto, hecho usw.

Ich danke Ihnen für die gedruckten Proben aus Azkues romanisch-baskischem Wörterbuch. Wie weit sind wir noch vom Ende!

M. Harriets Wörterbuch sollte doch unter allen Umständen gedruckt werden, zum Mindesten insoweit als er Azkues Werk ergänzt. Ich war sehr vergesslich als ich Sie um Auskunft über ihn bat; ich habe ja einen längeren Brief von ihm (Halsou Aug. 1887) bekommen als Antwort auf gewisse Anfragen die ich an ihn gerichtet hatte. Er spricht von seinem Wörterbuch…. „tout mon désir c’est de le laisser fini et manuscrit. Quant à l’imprimer je n’y pense pas, content de rassembler et de |3| mettre en ordre des notes que j’ai commencé à prendre il y a plus de 25 ans et que personne autre que moi ne pourra même lire.“

Indem ich in meinen baskischen Papieren herumkrame, finde ich auch den Brief einer Engländerin mit der ich wegen Dodgsons korrespondiert hatte. Andere Briefe scheinen vorangegangen zu sein; der übrig gebliebene ist ohne Jahreszahl. Sie war die Freundin seiner Mutter und besitzt grosse Anhänglichkeit zu ihm1 selbst. Sie erklärt seine Psyche bis zu einem gewissen Grad; stellt aber das Tatsächliche nicht anders dar als ich es auffasse, und gibt mir den Rat nicht nur den Briefwechsel mit ihm abzubrechen, sondern auch [no]ch2 Massregeln zu treffen dass mich seine Briefe überhaupt nicht erreichen. Ihr Brief schliesst „I do not think he is always master of his reason“.

|4| Mit Linschmann bin ich, ganz ohne meine Schuld, seit vielen Jahren auseinander. Er sprach mir seine Unzufriedenheit darüber aus dass ich in meiner Vorrede zum Leicarraga seinen Anteil an der Arbeit nicht genügend hervorgehoben hätte. Stehen Sie und de Urquijoin Beziehungen zu ihm?

Was ist aus Larrieu geworden mit dem ich seiner Zeit manche Briefe gewechselt habe?

Mit herzlichem Gruss

Ihr ergebener

H. Schuchardt

Sachwortgeschichte (bez. -forschung) ist „de mon cru“; es soll soviel bedeuten wie Geschichte von Sache und Wort in ihrem gegenseitigen Verhältnis; „Sach- und Wortgeschichte“ würde soviel sein wie Sachgeschichte und Wortgeschichte, die ja mehr oder weniger auseinanderfallen können.


1 an ihn und zu ihm sind übereinandergeschrieben und es ist schwer zu sagen, welches die korrigierte Fassung ist.

2 Schuchardt hat sich an dieser Stelle wieder selbst korrigiert, sodass die ersten Buchstaben nicht eindeutig zu entziffern sind.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Fondo Lacombe (Euskaltzaindia). (Sig. 066)