Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (054-043)

von Hugo Schuchardt

an Georges Lacombe

Graz

23. 05. 1909

language Deutsch

Schlagwörter: Urquijo Ybarra, Julio de Schuchardt, Hugo (1885) Winkler, Heinrich (1909)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (054-043). Graz, 23. 05. 1909. Hrsg. von Katrin Purgay (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3947, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3947.


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Graz, Villa Sch
23.5.’09

Sehr geehrter Herr und Freund,

Ehe ich auf wenige Tage nach Wien (zur Jahresversammlung unserer Akademie) reise, will ich wenigstens im Allgemeinen – es ist die Jahreszeit meines verstärkten Kopfdruckes – Ihre letzten Briefe beantworten. Ich bin Ih[n]en sehr dankbar für die verschiedenen Mitteilungen die Sie mir machen (ebensowie für die Nummern des Eskualduna) und sie werden bei passender Gelegenheit berücksichtigt werden.

Wissen Sie dass ich erst durch Sie auf die neue Ausgabe von Pauls Prinzipien aufmerksam gemacht worden bin? Der Haller Verleger |2| hat sein Erscheinen erst weit später mitgeteilt und hatte auch an die hiesigen Buchhändler keine Exemplare versandt. Ich habe, mit andern Dingen beschäftigt, noch nicht feststellen können in wie weit diese Auflage sich von den früheren unterscheidet. Ich glaube, in bezug auf die Lautgesetze, hat Paul seine Ansichten nicht wesentlich anders dargestellt als früher. Vor zwanzig Jahren habe ich mit ihm über diesen Gegenstand einen lebhaften Federkrieg gehabt. Übrigens hatte mir Paul, als ich mich in Leipzig 1870 habilitierte, als Famulus (Vermittler zwischen Dozent und Studenten) zur Seite gestanden. Wenn man so alt ist wie ich, so weckt einem Alles Erinnerungen. Sogar Ihre philosophische These. Nicht dass ich mich je mit Schellings System näher abgegeben hätte; aber seine noch jetzt lebende Tochter war die beste Freundin meiner verstorbenen Mutter und in eine seiner Enkelinnen war ich als ganz junger Mann einige Zeit |3| recht verliebt.

Bei meinem großen Interesse an der R.B. habe ich das lebhafteste Bedauern über Ihre Absicht empfunden sich von dem Unternehmen zurückzuziehen. Hoffentlich ist es aber zu einer Vereinbarung gekommen. Herr von Urquijo wenigstens liess mich das hoffen. Er hat neulich die weite Reise von Venedig hierher (und nach kaum eintägigem Aufenthalt wieder zurück) gemacht, einzig und allein um sich mit mir über Dinge zu bereden die uns in gleichem Masse interessieren. Ich habe mich über seinen Besuch sehr gefreut und bin ihm sehr dankbar dafür; nur ist es mir ausserordentlich peinlich dass ich ihm gegenüber die Pflichten der Gastfreundschaft nicht habe ausüben können so wie ich es wünschte. Nach einer etwa achtstündigen Unterhaltung versagte ich durchaus und konnte kaum mehr mich auf französisch ausdrücken. Don Julio hatte allerdings selbst meine |4| Ermüdung deutlich bemerkt; ich aber wollte doch so lange wie möglich mich seiner höchst anregenden und wertvollen Unterhaltung erfreuen. Schliesslich musste ich aber doch die Barbarei begehen ihn sich selbst für einige Stunden zu überlassen (ich hatte leider keinen Stellvertreter zur Hand). Ich bitte Sie mich nochmals bei ihm zu entschuldigen.

Ich vermute nämlich dass Sie ihn in diesen Tagen sehen werden, und wünsche Ihrer beiderseitigen Zusammenkunft den besten Erfolg – in maiorem gloriae Vasconiae.1

Mit herzlichem Gruss

Ihr ergebener

H.Schuchardt

PS. 1. Bitte wo möglich die „diplomatische“ Note zu den Briefen von L.-L.B. zustandezu bringen.

2. Gestern erhielt ich: Heinrich WinklerDas Baskische und der vorderasiatisch-mittelländische Völker- und Kulturkreis Breslau 1909 (4° p. 52) vom Verfasser, der als Ural-altaist sehr bedeutend ist. Ich werde über sein lexik. bask. Material mich demnächst in Kürze äussern, über die Hauptfrage später im Zusammenhang mit anderen.


1 Vermutlich eine Abwandlung von „in maiorem dei gloriam“.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Fondo Lacombe (Euskaltzaindia). (Sig. 043)