Hugo Schuchardt an Elise Richter (50-266_27-26)

von Hugo Schuchardt

an Elise Richter

Graz

1919

language Deutsch

Schlagwörter: Dankschreiben Publikationsversand sprachliche Variation Soziolinguistik Rezension Sonderabdruck Literaturblatt für germanische und romanische Philologie Sprachen in Bengalen/Indien Richter, Elise (1919) Spitzer, Leo (1918) Schuchardt, Hugo (1919)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Elise Richter (50-266_27-26). Graz, 1919. Hrsg. von Bernhard Hurch (2009). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.394, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.394.


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Verehrte Kollegin!

Ich erhalte soeben Ihre Fremdwortkunde1 und danke Ihnen dafür herzlich, sowie auch für die allzuschmeichelhafte Zuschrift. Ich durchfliege den letzten Abschnitt und kann mich fast in allem als Ihren Kampfgenossen erklären (besonders auch betreff den Bonnentums). Zu S. 124: ein gesitteter Mensch „tunkt“ nicht. In meiner Heimat tunkten auch Hofdamen Ihren Zwieback im Kaffee ein: Tunke allerdings im Sinne von Sauce war dort ganz unbekannt. Gegen Anschrift stemme auch ich mich nachdrücklich, aber Richte paßt mir ebenfalls nicht ganz weil ich damit die Vorstellung von Bewegtem, nicht von Ruhendem habe. Warum nicht kurzweg: Wohnung, Aufenthalt? Oder könnte man sagen: „ich werde Dich demnächst besuchen; welches ist Deine Richte“? Wegen interessieren habe ich mich schon in meiner Besprechung von Spitzers F. und F. geäußert2 - ich habe keine SA davon bekommen,3 so wenig wie von |2|meiner früheren Anzeige im Ltbl. – Wenn ich eine Tanne von weitem sehe, muß ich dann sagen: bis zu der Tanne dort? Darf ich nicht sagen: bis zu dem Baum dort? Eine etwas anders gerichtete Bekämpfung der „Nüangse“!

Mit verbindlichstem Gruß

Ihr ergebener

HSchuchardt

Gigerl ist für mich Gigedl mit lateralemd (wie in Arlas), ohne wirkliches r.


1 Elise Richter (1919).

2 Hugo Schuchardt (1919a). Es ist dies nicht einfach eine Besprechung wie andere, denn Schuchardt setzt sich zum Teil sehr ausführlich mit Angriffen und Erwähnungen seiner Person im Spitzerschen Text auseinander. Schuchardt trennt insofern verschiedene Textebenen, als er die persönlichen Erwiderungen hauptsächlich in Fußnoten schiebt, während der Haupttext der Beschäftigung mit dem Buch vorbehalten bleibt. Bemerkenswert scheint aber auch, daß er Spitzers Text offenbar vor Richters Fremdwortkunde gelesen hat. Mit Spitzer entspinnt sich übrigens daraus eine kleine öffentliche Diskussion, denn Spitzer antwortet im gleichen Jahr in der gleichen Zeitschrift und im Anschluß meldet sich Schuchardt nocheinmal mit einer Antwort an Spitzer zu Wort (Brevier/Archiv Nr. 721).

3 In der Grazer Bibliothek ist aber ein Sonderdruckexemplar mit Schuchardts händischen Korrekturen und ein paar Ergänzungen erhalten; wie auch sonst befindet sich auf der letzten Seite handschriftlich die Liste der Kollegen, an die Exemplare gegangen sind.

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