Hugo Schuchardt an Willem Jan van Eys (27-i)
von Hugo Schuchardt
05. 12. 1897
Deutsch
Schlagwörter: Vinson, Julien Linschmann, Th. Dodgson, Edward Spencer
Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Willem Jan van Eys (27-i). Graz, 05. 12. 1897. Hrsg. von Bernhard Hurch, Andrea Lackner, Maria José Kerejeta, Thomas Schwaiger und Ursula Stangl (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3903, abgerufen am 28. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3903.
Graz 5 Dez 97.
Verehrter Herr,
Ich habe mich schon seit langer Zeit danach gesehnt wieder einmal von Ihnen Nachricht zu erhalten; aber, selbst von manchem überflüssigen Briefe belästigt, will ich nicht Andre in gleicher Weise belästigen.
Nun bietet sich mir aber wieder eine Gelegenheit Ihnen zu schreiben. Ich habe in diesem Sommer von unsrer Akademie der |2| Wissenschaften 1500 Gulden behufs Neudrucks des N.T. und der sonstigen Schriften von Liçarrague erhalten; und, wenn auch diese Summe nicht ganz ausreichen wird, so bin ich doch nun in Stand gesetzt mit Herrn Pfarrer Linschmann das Unternehmen zu beginnen. Wir haben schon einige Bogen fertig; von dem ersten habe ich mir drei Exemplare extra liefern lassen, um Ihnen sowie Vinson je eines vorlegen zu können, da Sie beide unsere Vorgänger gewesen sind. Ich hoffe, Sie werden es nicht übel nehmen dass ich nun auch Ihrer schönen und genauen Ausgabe des Matthäusevangeliums Konkurrenz machen muss. Wie Sie |3| das Ihnen unter Kreuzband zugehende Exemplar belehren wird, drucken wir das Original Seite für Seite, Zeile für Zeile, Buchstaben für Buchstaben, ja Punkt für Punkt ab. Es ist das eine sehr mühsame Arbeit, und ich bin in Bezug auf deren Fortgang nicht ohne Sorge. Pfarrer L. korrigirt, ich revidire, er hat das Stuttgarter Exemplar, ich das Leipziger. Das letztere hat mir der Bibliothekar nicht ohne Widerstreben ausgeliefert, und ich fürchte immer dass er es mir plötzlich wieder abfordert; dann bin ich in grösster Verlegenheit. Denn vier Augen müssen den Druck lesen; und meine zwei müssen ‒ aus Rücksicht für die Akademie ‒ dabei sein. Ich habe bei dieser Gelegenheit, wie schon bei |4| früheren, bestätigt gefunden, dass selbst die angestrengteste Aufmerksamkeit das Übersehen von Druckfehlern nicht gänzlich verhindert. Dodgson ist natürlich sehr verstimmt dass er bei „seinem” Liçarrague die Hand nicht mit im Spiele hat; da er von mir privatim erfahren hat, dass wir die Druckfehler L.´s wiedergeben, so hat er, ohne weiter über unsern Plan unterrichtet zu sein, an die Wiener Akademie eine verrückte Karte geschrieben welche mit den Worten schliesst: „Reverence for Leiçarraga, for the Basque language, for the New Testament, for scientific truth & for posterity compels me to implore your honoured Academy not to permit this disastrous plan.” Ich habe darauf hin endgültig ‒ und es ist das für mich eine wahre Erleichterung gewesen ‒ mit ihm gebrochen; nun schreibt er mir einen Brief um den andern, worin er Rathschläge, Drohungen, Indiskretionen, Alles modo Dodgsoniano durcheinander mengt; u. A. kündigt er mir an er will alle Personen auffordern „to efface your name in my printed writings as false to me and to Basque”(!)
Ich hoffe dass Sie und Ihre Frau Gemahlin sich bei guter Gesundheit befinden und bin in dankbarer Erinnerung an Ihre schöne Citronenvilla
Ihr ganz ergebener
H. Schuchardt
Faksimiles: Die Publikation der Abschrift der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Azkue Biblioteka (Euskaltzaindia). (Sig. i)