Hugo Schuchardt an Willem Jan van Eys (18-06)

von Hugo Schuchardt

an Willem Jan van Eys

Gotha

24. 04. 1895

language Deutsch

Schlagwörter: Verlag Karl J. Trübner G. Otto’s Hof-Buchdruckerei Darmstadt Kaiserliche und Königliche Hof-Bibliothek (Wien) Dodgson, Edward Spencer Beer, Rudolf

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Willem Jan van Eys (18-06). Gotha, 24. 04. 1895. Hrsg. von Bernhard Hurch, Andrea Lackner, Maria José Kerejeta, Thomas Schwaiger und Ursula Stangl (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3894, abgerufen am 13. 12. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3894.


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Gotha, 24 April 1895

Hochgeehrter Herr,

Also so viele “dunkle Punkteˮ schweben noch zwischen uns? Nun, ich denke dass wir über das Wesentliche jetzt auch brieflich uns werden verständigen können; sind wir doch bei der mündlichen Unterhaltung nicht ohne graphische Veranschaulichung ausgekommen. – Ich bin allerdings am folgenden Tage abgereist und hätte nicht gut länger |2| in San Remo bleiben können; ich war einerseits wegen der Gesundheit meiner Mama sehr beunruhigt – glücklicher weise habe ich sie verhältnissmässig wohl gefunden – anderseits ging es mit meinen Nerven dort von Tag zu Tag bergab, und noch der erste Theil meiner Hierherreise war für mich sehr unangenehm.

Von Dodgson erhalte ich eben eine neue Karte, in der er mir erklärt meinen Artikel über acheter nicht erhalten zu haben.1 Er scheint von der Existenz einer Bibliothek in Colla keine Ahnung zu haben; ich begreife sonst nicht warum er nicht gebeten hat die an uns beide gerichtete Visitkarte dort – Baskische Manu|3|skripte I A – zu deponiren.

Wenn Sie an Trübner und an die grossherzogliche Hofbuchdruckerei in Darmstadt zu gleicher Zeit geschrieben haben, so haben Sie eigentlich – um das Sprichwort umzukehren – “eine Fliege mit zwei Klappen geschlagenˮ. Ich bin sehr begierig Weiteres darüber zu hören.

Dr. Th. Gottlieb kenne ich nicht einmal dem Namen nach. Wenn Sie über spanische Bibliotheken irgend welche Auskunft oder Referenzen für Nachforschungen in denselben haben wollen, so thun Sie wohl am Besten sich – mit Berufung auf mich – an Dr. Rudolf Beer an der kais. Hofbibliothek zu wenden. Vielleicht beantwortet er auch Ihre Frage wegen der bewussten |4| Neuen Testamente. Ich komme zwar Ende Mai nach Wien, aber nur auf wenige Tage und diese sind durch Sitzungen, ein Festsouper und ein Festdiner, sowie Besuche dergestalt ausgefüllt dass ich nicht ganz sicher bin ob es mir möglich sein wird, die Hofbibliothek zu betreten.

Ein einstiger Leipziger Kollege von mir hat in einem zu Anfang der 70 er Jahre erschienenen Buche u. A. die Gelehrten davor gewarnt in persönliche Beziehungen zu ihren Fachgenossen zu treten, weil sie durch deren Liebenswürdigkeit leicht in der Unbefangenheit ihres Urtheils beirrt werden könnten. Seine Aeusserungen sind mir gerade in San Remo wieder eingefallen; ich bestreite auch jetzt (wie damals) ihre Richtigkeit, wenigstens für mich, nur gestehe ich dass ich mich hie und da etwas anders, etwas weniger schroff-ablehnend ausgedrückt haben würde, wenn ich in Bonapartes heissblütigem Antagonisten den freundlichen Herrn der Palmen- und Citronenidylle geahnt hätte, die mir – auch ohne das kostbare Andenken das ich daraus entführt habe – eine der angenehmsten Erinnerungen bleiben wird. – Mit der Bitte mich Ihrer Frau Gemahlin ehrerbietigst zu empfehlen

Ihr ganz ergebener
Hugo Schuchardt
(Graz, Elisabethstr. 6)


1 Vgl. die Karte mit der Nr. 175-02547 im Briefwechsel zwischen Dodgson und Schuchardt.

Faksimiles: Die Publikation der Abschrift der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Azkue Biblioteka (Euskaltzaindia). (Sig. 06)