Hugo Schuchardt an Willem Jan van Eys (15-05)

von Hugo Schuchardt

an Willem Jan van Eys

Graz

24. 12. 1894

language Deutsch

Schlagwörter: Lautgesetze Uhlenbeck, Christian Cornelius Dodgson, Edward Spencer

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Willem Jan van Eys (15-05). Graz, 24. 12. 1894. Hrsg. von Bernhard Hurch, Andrea Lackner, Maria José Kerejeta, Thomas Schwaiger und Ursula Stangl (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3836, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3836.


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Graz. 24 Dez. 94.

Verehrter Herr,

Verzeihen Sie dass ich erst heut Ihren liebenswürdigen Brief vom 6. Okt. beantworte. Meine Absicht es zu thun war keineswegs aufgegeben, ist keineswegs durch Ihre heut eingetroffene Karte erst wieder ins Leben gerufen worden.

Ich bedauere dass unsere Ansichten über die euphonischen Laute auseinandergehen; die Stelle Ihrer Gramm. S. 137 hatte ich nicht übersehen, ich hatte mich sogar darüber gewundert, da Sie ja selbst anderswo von euphonischen Lauten reden. Ihre jetzigen Aeusserungen über dikat aus *di-h-t verstehe ich auch nicht hinlänglich; was zwingtuns denn eine so schwer sprechbare Form anzusetzen? Sie haben Recht, mündlich |2| würde man sich leicht über dergleichen verständigen. Ich bedauere sehr dass Sie Ihren Plan im Sommer nach Graz zu kommen nicht ausgeführt haben; es ist wirklich recht schön hier, wenn ich es auch nicht mit der Riviera vergleichen will. Vielleicht dass ich doch einmal wieder in Ihre Nähe komme.

Ihr Landsmann Herr Prof. Uhlenbeck hat mir einen einigermassen gereizten Brief geschrieben – wegen eines ganz untergeordneten Punkts. Ich habe ihm nämlich meine eigene Meinung imputirt, dass bask. bakallao nur mittelbar (durch das Spanische der Spanier oder der Basken) ins Holländische übergegangen sei; thatsächlich meint er, bakeljauw stamme unmittelbaraus dem Baskischen. Ich habe sofort eine Berichtigung eingesandt. – Vielleicht haben Sie |3| mich wegen bask. kai missverstanden. Ich habe nicht den geringsten Zweifel daran dass es ein Fremdwort ist; ich meinte nur dass wenn man bai als baskisches Wort betrachten wollte – was meiner Ansicht zufolge ebenso sicher ein Fremdwort ist – man auch kai, und zwar mit noch mehr Wahrscheinlichkeit als alteinheimisches Wort betrachten müsse. Es handelt sich da also um eine rhetorische Ausdrucksweise.

Die “Lautgesetzeˮ machen mir keine besondere Schwierigkeit; ich verlange weiter Nichts als dass man konsequent sei, und dass man Gründe für die Annahme eines “Lautgesetzesˮ beibringe. Das Letztere thut Uhlenbeck nicht, wenn er läugnet dass in span. aliso der mittlere Vokal ausfallen könne, und das Erstere nicht wenn er |4|gudu aus dem Gotischen herleitet.

Mit Dodgson den Sie ja auch kennen, werde ich nun doch wohl nach jahrelangem Briefwechsel brechen müssen. Er quält Einen, trotz aller Proteste, mit seinen wahnsinnigen Etymologieen, verlangt ein Urtheil darüber und ist unzufrieden wenn es nicht nach seinem Geschmack ausfällt. Und dabei zeigt er gegen alle die Personen mit denen er in baskischen Angelegenheiten verkehrt, so wenig Wohlwollen und Gerechtigkeit dass mich schon hierdurch seine Briefe vielfach verletzen. Es ist wirklich schade um ihn; er kann sehr gut Baskisch; aber er muss halb verrückt sein.

Mit besten Wünschen für das Neue Jahr

Ihr ganz ergebener

Hugo Schuchardt

Faksimiles: Die Publikation der Abschrift der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Azkue Biblioteka (Euskaltzaindia). (Sig. 05)