Willem Jan van Eys an Hugo Schuchardt (08-02850)

von Willem Jan van Eys

an Hugo Schuchardt

San Remo

23. 10. 1893

language Deutsch

Schlagwörter: Vinson, Julien Hannemann, Karl

Zitiervorschlag: Willem Jan van Eys an Hugo Schuchardt (08-02850). San Remo, 23. 10. 1893. Hrsg. von Bernhard Hurch, Andrea Lackner, Maria José Kerejeta, Thomas Schwaiger und Ursula Stangl (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3829, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3829.


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San Remo 23 Oct. 1893.

Verehrter Herr,

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Antwort; ezan = izan hatte ich übersehen; Seite 34 sagen Sie es ganz klar; Ihre Schrift ist sehr voll mit Bemerkungen, so war es mir entgangen; in unsern Tagen daß man so viel zu lesen hat, hat man nicht immer Zeit Etwas zwei dreimal überzulesen. –

Die Bemerkung über “Lautgesetze[ˮ] schien mir, als ob sie sich auf meine Frage hinsichtlich ne-nenkarren bezog, um so mehr da Sie, Seite 14, 6 v.u, darauf zurückkommen. Ihre Polemik kenne ich nicht, kann also nicht darüber urtheilen, aber ich muß gestehen ich kann mir nicht eine Sprache vorstellen ohne Lautgesetze, das |2| will sagen nicht Gesetze die der Grammatiker vorschreibt; er ist kein Gesetzgeber, glaube ich; seine Rolle ist viel bescheidener, er soll nur folgen (nicht vorausgehen) den1 im Volksmunde üblichen Ausdrücken oder Ausdrucksweisen (Aussprache); welche letztere an gewissen Regeln unterworfen ist deren Ursache aufzuspüren hier nicht der Ort ist. Wir sind, glaube ich, derselben Meinung, im Grunde; das Wort Gesetz allein gefällt Ihnen nicht, Sie brauchen lieber Lautwandel; allein ein allgemein angenommener Lautwandel oder Ausdruck, selbst wenn irrig, wird zum Gesetz. Der Franzose sagt jetzt irrig “C’est moiˮ statt “C’est jeˮ, allein es ist zur Regel geworden und heute darf er nicht mehr richtig “C’est jeˮ sagen.

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Ein merkwürdiges Resultat dieses fehlerhaften Eingreifens der Grammatiker findet sich in meiner Sprache vor und damit mein Brief nicht zu lange werde schicke ich Ihnen eine kleine Gram. die ich für Freunde geschrieben habe; so kann ich jetzt noch hier ein Paar Baskische Frage behandeln. – Ich sah mit Vergnügen daß Sie meine Schwierigkeit betreffend Flexionen mit d : zaitadan zu beseitigen sich bestreben S. 14. 31. Naztan ist nazan + daztan. Was ist daztan? für dazan? – Also, an sich schon, eine verdorbene Flexion; – Ist zufolge Ihnen, den t in zaitadan, ziaitadak auch dieser Combination wegen hineingezogen? Dies ist mir nicht klar. Die Liçarraga’sche Sprache hat äußerst viel Werth für mich; vielmehr als die verstümmelten |4| Formen irgend eines Bauerndialectes. Ich glaube wenn wir z. B. die englische Aussprache “heggˮ für “egg“ zum stützen einer etymologischen Frage brauchen wollten, wir sehr irre gehen würden. –

Ich begreife nicht recht Ihre Schwierigkeiten mit mouillirten Vocalen oder Consonnanten S. 29; Sie stellen dik gegenüber onddo; allein Sie sollten lieber diat citiren; und in Beiden könnte d als d̃ geschrieben werden d̃at. on d̃o. Wenn alle die Personen mouillirt sind, dann kann dik nicht eine Ausnahme sein, und wir werden annehmen müssen daß in dik das stammhafte i (i für u) und das mouillirungszeichen (denn i ist nichts andres, könnte k sein) assimilirt sind. Eine Discussion mittelst Briefwechsel ist kaum möglich. Sie werden aus meiner kleinen |5| holländ: Gram: ersehen daß ich nicht solch ein unbegrenztes Zutrauen stelle in die Grammatiker; und wenn das wahr ist betreffend holländischer – was soll es dann sein wenn baskische Grammatiker uns belehren wollen! – Um Eines zu nennen: Sie citiren aizak (Lardizabal), nun frage ich: was kann aizak mehr oder anderes bedeuten als “du bistˮ? mehr dutzen als “du bistˮ ist doch wohl nicht möglich. Dies sind aber Kleinigkeiten deren Ergründung die Erforschung der wirklichen Natur oder Bau der Sprache weder fordern noch zurück halten wird. – Die izan = ezan Frage ist viel interessanter, ich frage nur gründliche Beweisen; wie erklärt man z.B. zwei Imperativen einer activ hezak, beza etc; und einer passiv aizen biz, Also ein Stamm (Thema?) der auf |6| beide Weise conjugirt wird?

Ich weiß wohl ich habe selber edin als solch einer Natur betrachtet; allein seit Vinson mir aufmerksam gemacht hat Euskara No 9.71 daß die transitiven Flexionen “faireˮ bedeuten muß ich meine frühere Meinung ändern. Ich habe diese Frage besprochen, allein Hannemann schrieb mir das mein Ms. verloren gegangen ist, und ich habe sie nicht wieder aufgefaßt. –

Verzeihen Sie mir meinen langen Brief und glauben Sie mir

ganz ergebenst
W v.Eys.


1 Ausgebessert von „dem“.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 02850)