Hugo Schuchardt an Elise Richter (26-266_27-20)

von Hugo Schuchardt

an Elise Richter

Graz

1916-01

language Deutsch

Schlagwörter: Grazer Tagespost Publikationsversand Etymologie Junggrammatikerlanguage Italienischlanguage Französischlanguage Sanskrit Nyrop, Kristoffer Schuchardt, Hugo (1916) Lichem, Klaus (1994) Salvioni, Carlo (2008)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Elise Richter (26-266_27-20). Graz, 1916-01. Hrsg. von Bernhard Hurch (2009). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.382, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.382.


|1|

Verehrte Kollegin!

Die beiden Tagespostausschnitte die ich Ihnen eben zusende, bedürfen keiner Erläuterung.1 Falls Sie mich in dieser Angelegenheit erwähnen sollten, so bitte ich Folgendes zu beachten. Der Ursprung des Wortes boche interessiert mich eigentlich gar nicht, sonst hätte ich mich längst damit beschäftigt; erst der Artikel meines feindlichen Freundes Nyrop, der das Wort wohlwollend unter seinen Schutz nimmt, hat mich angestachelt, aber nicht sowohl der Etymologie von boche nachzugehen [ohne neue Tatsachen läßt sich nicht erweisen - immer sind verschiedene Vermutungen berechtigt], sondern mich einmal gegen die in Laienkreisen weit verbreitete und oft so unangenehm sich offenbarende passive und aktive Etymomanie kräftig zu äußern. Die von Giovanni Flechia2 gehegte Meinung war (nach Salvioni3) in die Worte gekleidet: si sarebbe ritenuto abbastanza compensato de’ suoi sforzi di docente se alla fine del corso i suoi scolari avessero imparato non a fare delle etimologie … ma a non farne.

B. Gr.
HSch.

|2|

1 In der Grazer Tagespost veröffentlicht Schuchardt 1916(a) unter anderem zwei Teile zu 'Boche', nämlich am 9. Jänner, sowie einen kurzen Zusatz am 12. Jänner. (Brevier/Archiv 686).

2 Giovanni Flechia (1811-1892) italienischer Sprachwissenschaftler (insbesondere Indologe, Sanskrit) und Politiker. 1856 gibt er die erste italienische Sanskritgrammatik heraus (stark an Benfey orientiert). Im gleichen Jahr Professor in Turin, zuerst Sanskrit, dann allgemein historische Sprachwissenschaft. Vgl. Lichem 1994.

3 Carlo Salvioni (1858-1920) italienisch-schweizer Dialektologe und Romanist; historischer Sprachwissenschaftler aus dem Umkreis der Junggrammatiker; besonders bedeutend für die Tessiner Dialektforschung (Vocabolario dei dialetti della Svizzera Italiana); zahlreiche Etymologien (auch kulturwissenschaftlich interessant) und Studien zur Toponomie. Briefwechsel mit Schuchardt vgl. Nrn. 9912-9930. Ein Briefwechsel mit Richter liegt nicht vor. Salvionis sprachwissenschaftliches Gesamtwerk wurde jüngst von Michele Loporcaro u.a. neu ediert ( Salvioni 2008).

Von diesem Korrespondenzstück ist derzeit keine digitale Reproduktion verfügbar.