Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (018-020)

von Hugo Schuchardt

an Georges Lacombe

Graz

22. 06. 1908

language Deutsch

Schlagwörter: language Französischlanguage Baskisch Vinson, Auguste Leizarraga, Joanes Dodgson, Edward Spencer Linschmann, Th. Vinson, Julien Harff, Arnold von Urquijo Ybarra, Julio de

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Georges Lacombe (018-020). Graz, 22. 06. 1908. Hrsg. von Katrin Purgay (2017). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3802, abgerufen am 27. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3802.


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Graz, 22. 6. '08

Sehr geehrter Herr und Freund,

Vinson hätte sich in der Leiçarraga-frage die Antwort, oder wenn Sie wollen, die Replik, wohl sparen können; denn er sagt nichts Neues, wohl aber verschiedenes Unrichtige und Unzutreffende.

1. Sch. prend parti pour Dodgson contre moi. Nicht im Geringsten; ich finde sogar die Begründung die Dodgson gegeben hat, ganz unzureichend. Ich pflege andere Wege zu |2| wandeln als er; wenn wir an diesem Punkt zusammengetroffen sind so lag das an dem Zwange der Tatsachen. Als Linschmann und ich vor zehn Jahren (und länger) die Schriften Leiçarraga's herauszugeben uns anschickten, entstand ‒ wenn ich mich recht entsinne ‒ kein Bedenken über die Schreibung des Namens; und Dodgson übte auf uns nicht den geringsten Einfluss aus. Vinson hätte schreiben sollen Sch. prend parti pour Leiçarraga contre moi.

2. Libre à lui d'écrire Leiçarraga etc. Nein, diese Freiheit hat er uns nicht gestattet; er hat schon nach dem Erscheinen des N.T. unsere |3| Schreibung angefochten.

3. Que Liçarrague, au moins en français, signait ainsi, habe ich das geläugnet? Aber habe ich Unrecht gehabt zu sagen: „nur auf französisch“? Und wenn die Franzosen Liçarrague schreiben, weil dies die französische Form ist, warum dem übrigen „monde savant“, den Spaniern, Deutschen usw. verbieten die baskische Form Leiçarraga zu adoptieren?

4. Personne au monde en France, ne dira Schwarzerd, Aristoteles etc. Aber was beweist das? Wenn die Franzosen sagen: Aristote, Sénèque usw., hindert das die Spanier und Deutschen zu sagen: Aristoteles, Seneca usw.? Und es ist doch |4|Schwarzerd hier gar nicht anzuführen, da der Mann sich selbst Melanchthon nannte und auch wir Deutschen ihn nur als solchen kennen. ‒ Bei alledem ist noch zu bedenken dass es sich bei Leiçarraga nicht um eine Persönlichkeit von Weltruf handelt wie bei den andern die Vinson hier zitiert.

NB. Kann man auf französisch wirklich sagen: personne au monde en France, was ja doch eine „contradictio in adjecto“ ist? Uns würde ein: „Niemand auf der Welt in Deutschland“ sehr merkwürdig klingen.

Meine Replik auf Vinsons „Réponse à Sch.“ steht Ihnen auf Verlangen zu Diensten; |5| ich habe sie Ihnen absichtlich nicht geschickt, um Sie nicht, Vinson oder mir gegenüber, in Verlegenheit zu setzen. Ich habe sie auch Vinson nicht zukommen lassen, weil er mir seine Réponse vorenthalten hat und mir dieselbe sehr leicht für längere Zeit hätte entgehen können. Auch seine Langue ibérienne hatte er mir nicht geschickt, während ich ihm meine auf das Baskische bezügliche Schriften bis jetzt zu schicken pflegte. Den Bruch mit Vinson bedauere ich sehr; aber er war nicht aufzuhalten. Die Verschiedenheit der Meinungen spielt dabei nicht die Hauptrolle sondern die OberflächlichkeitVinsons in der Diskussion. Er liest nicht aufmerksam und er vertieft seine Erwiderungen nicht. Nur mit Widerstreben habe ich sein Verfahren |6| zu charakterisieren mich entschlossen; es blieb mir nichts anderes übrig.

Mit besten Grüssen

Ihre ergebener

H. Schuchardt

In diesen Tagen machte mich ein Kollege auf das bask. Glossar in A. von Harffs Pilgerfahrt (1496-1499) S. 227 aufmerksam. Dasselbe ist ja schon bekannt, wider Erwarten habe ich aber nicht feststellen können, wo es veröffentlicht ist (in der Rev. de lingu.?) Wissen Sie es vielleicht?

Es versteht sich von selbst dass ich die obigen Auslassungen in der Leiçarraga-angelegenheit nur privatim gegeben habe: sollte aber zwischen Ihnen und Urquijo oder andern davon die Rede sein, so möchte ich bitten dass jene Punkte berücksichtigt werden.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Fondo Lacombe (Euskaltzaindia). (Sig. 020)