Hugo Schuchardt an Edward Spencer Dodgson (245-73)

von Hugo Schuchardt

an Edward Spencer Dodgson

Graz

25. 12. 1897

language Deutsch

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Edward Spencer Dodgson (245-73). Graz, 25. 12. 1897. Hrsg. von Bernhard Hurch (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3773, abgerufen am 14. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3773.


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Graz 25 Dez. 97.1

Verehrte Frau,

Ich schicke Ihnen hier Ihre zwei früheren Briefe zurück, erlaube Ihnen, ja bitte Sie meine Briefe an Sie Herrn Dodgson zu übermitteln, und zwar den gegenwärtigen inbegriffen.

Wenn ich Herrn D. irgendwie gekränkt habe, so ist es nicht in der Offensive, sondern in der Defensive geschehen. Ich habe |2| von ihm Nichts gewollt; er aber war unzufrieden wenn ich auf seine Korrespondenzkarten nicht antwortete oder wenn ich ihm so antwortete wie ich antworten musste. Ich habe ihm von Anfang aus gar keinen Hehl daraus gemacht dass ich in wissenschaftlicher Beziehung und auch über allgemein menschliche Dinge, insbesondere über den Verkehr der Menschen untereinander ganz anders denke wie er. Warum hat er mich denn nicht ruhig meine Wege gehen lassen? Ich bin ein älterer und recht kränklicher Mensch (das weiss er); das Unternehmen welches Herrn D. so in Auf|3|regung setzt, hat mich sehr viel Mühe gekostet ins Leben zu rufen und kostet mich nicht mindre durchzuführen. Alle übrigen spenden mir deshalb Anerkennung, und auch wegen der Art wie ich es ausführe. Herr D. aber, der bei jeder Gelegenheit von seinem Christenthum redet und mich ganz grundlos beschuldigte sein Feind zu sein, thut das was nicht nur ein Freund, sondern auch ein Feind, der ein Gentleman ist, nicht thun würde, er setzt mein Werk in den Augen der Körperschaft die es materiell unterstützt, in ganz unglaublicher Weise herab. Nun, das wissen Sie. Aber seither hat er wiederum gegen mich – im Avenir von |4| Bayonne vom 4 Dez. - Invektiven losgelassen, wie ich aus dem Antwortbrief eines Dritten ersehe. Mir selbst ist jener Brief nicht zugekommen; und es wäre Herrn D.’s Pflicht gewesen, mir ihn zuzusenden – da er mich doch überhaupt noch mit seinen Zusendungen beehrt, mir z. B. in diesen Tagen einen stupiden deutschfeindlichen Artikel aus einer Corker Zeitung hat zukommen lassen. Können Sie ihm denn gar nicht beibringen, wie unvernünftig, unedel, unchristlich das Alles ist?

In ausgezeichneter Hochachtung

Ihr ergebenster

H. Schuchardt

In grösster Eile


1 Darunter fügte Dodgson handschriftlich hinzu: To Miss E. Mc Veigh Ferrar, Mr E. S. Dodgsons old Governess (now living at 4 Terrace Bromley Kent[)].

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Azkue Biblioteka (Euskaltzaindia). (Sig. 73)