Hugo Schuchardt an Julio de Urquijo Ybarra (460-s.n.)

von Hugo Schuchardt

an Julio de Urquijo Ybarra

Graz

09. 06. 1923

language Deutsch

Schlagwörter: Sprachwissenschaft Syntax Revue internationale des études basqueslanguage Deutschlanguage Baskischlanguage Spanisch Gómez, Manuel Bosch-Gimpera, Pedro Schulten, Adolf Saroïhandy, Jean-Joseph Leizarraga, Joanes Meillet, Antoine Farinelli, Arturo Menéndez Pidal, Ramón Castro Quesada, Américo Azkue y Aberasturi, Resurrección María de Dodgson, Edward Spencer Webster, Stella Webster, Wentworth Spanien San Sebastian Schuchardt, Hugo (1923) Schuchardt, Hugo (1923) Azkue Aberastur, Resurrección María de (1891)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Julio de Urquijo Ybarra (460-s.n.). Graz, 09. 06. 1923. Hrsg. von Bernhard Hurch und Maria José Kerejeta (2007). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3684, abgerufen am 30. 11. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3684.


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Graz 9 Juni '23

Lieber Freund,

Verzeihen Sie mir — nicht nur in diesem, sondern etwa noch in späteren Fällen, wenn ich Ihnen nicht so rasch antworte wie ich, schon in meinem eigenen Interesse, wünschte. Zu viel innere und äußere Hemmnisse! — Ich danke Ihnen neuerdings für die viele Mühe die Sie sich mit meinen Kleinigkeiten geben. Ihre Übersetzung ist aber auch wiederum inmejorable (so darf man doch sagen?).1 Ich bemerke dazu abgesehen von ein paar im Texte angezeichneten Nebensächlichkeiten, nur Folgendes

S. 1., Z. 2. distinguidos. Ist das hier passend? ich beziehe mich nicht auf die Qualität, sondern auf die Ausdehnung. |2|Wenn Sie aber meinen daß man es in Spanien nicht übel nehmen wird, daß meinem Ausdruck nach, bisher die Inschrift keinen distinguidos zugänglich war, so mag es so bleiben.

Ist Gomez-Moreno mit Absicht ohne Akzent geschrieben?

S. 3 Z. 3 la comprensión que hasta ahora [la inteligencia de la inscripción] permanece ...

S. 4 Z.12. no puede negar — ich stelle die Sache nicht als objektive Unmöglichkeit dar, sondern als meine Annahme: er kanndochnicht. Also podrá!

S. 5 Z. 10. Hier allein scheint mir eine wirkliche Verbesserung nötig. Der Name hispanico soll im Zweifelsfall an die Stelle von iberico gesetzt werden. Oder kann man etwa sagen ¿restituir la palabra A por la palabra B im Sinne von substituir la palabra B a la palabra A?

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S.4.Z.5 v.u. hasta su significación politica. Sagt das nicht zu viel? Wird iberisch nicht bloß von gewissen Leuten und zwar in anti-baskischem Sinne genommen.

Ich war sehr versucht mein deutsches Exemplar an den mir befreundeten Bosch-Gimpera in Barcelona zu schicken, um mir weitere Auseinandersetzungen zu ersparen; aber ich habe es doch unterlassen. Gestern kam mir sein sehr interessantes Buch Etnol. prehist. delaPenins. Iberica zu. Er mischt sich zwar nicht in die Linguistik, aber kann doch nicht vermeiden mit dem Herzen auf Seiten seines Mitarbeiters A. Schulten zu stehen. Da ich nun dessen Ligurisch -baskische Wortgleichungen als größtenteils verfehlt bezeichnet hatte, so würde ich gern |4| gesehen haben, wenn er eine Widerlegung versucht hätte.

Nun komme ich zu Ihrem ausführlichen Brief vom 19. Mai, und nehme zunächst das heraus, was mir damals und auch jetzt noch am nächsten lag: baskischeSyntax. Um Saroïhandys Behauptung zu widerlegen zedin wäre nie mit einem transitiven Verb konstruiert worden, ließen sich hunderte von Beispielen anführen, für eginzedin allein eine Menge aus Leizarraga. Aber ich konnte die Sache nicht weiterverfolgen; denn trotz allen Nachsuchens in Ihren Briefen und in der Revista konnte ich nicht finden wo Sie sich (mit zwei Hypothesen) über den Satz: ceincidinguiçon geäußert haben und ebenso wenig wo|5| diese Stelle steht. Unmöglich wäre die Erklärung: wer wurde Mensch? nicht, aber ist ein Verb gizondu sonst erwiesen? Ich bitte Sie um näheren Hinweis auf Ihre eigene Ansicht.

Da Sie eine Bemerkung Millardets über meinen Ruf mitteilen, so verzeihen Sie wenn ich Ihnen eine andere von A. Meillet (Scientia Avril), übrigens sehr schmeichelhafte, in ihrem Ausklang mitteile: ... il n'a jamais été de ceux qui ont rien dirigé [?]. Il est demeuré un grand isolé et son action s'est exercée autant,  et plus, et parfois plus vite, sur l'étranger que sur les Allemands.2

Ich glaube wohl daß Farinelli Geldsorgen hat; die italienischen Universitätsprofessoren sind wie |6|ich höre, jetzt schlechter gestellt als früher. Er schreibt mir sonst von Zeit zu Zeit, er ist mir sehr anhänglich; jetzt habe ich lange nichts von ihm gehört. Vielleicht schämt er sich seines Benehmens, das auch mir sehr wenig passend vorkommt.

Ich weiß nicht ob Sie irgend eine Gelegenheit gehabt haben, gegenüber Menéndez Pidal oder Américo Castro meiner in bezug auf das Jubiläum des ersteren (wann ist es denn?) entschuldigend zu gedenken. Ich habe jetzt das erste Mal in meinem Leben einen Beitrag zu einer Festschrift geliefert (aus ganz besondern, persönlichen Gründen); ich warte schon drei Wochen auf Sonderabzüge; er betitelt sich: Individualismus und wird wohl nicht in weiteren |7|Kreisen Anstoß erregen (er bezieht sich nur auf den Ind. in Sprache und in Sprachwissenschaft),3 auch nicht bei dem lieben Azkue der noch für Dodgson wegen seiner Ascuence ein freundliches Lächeln übrig hat.4

Dabei fällt mir Folgendes ein. Im Frühjahr 1907 schrieb mir Stella Webster, die Tochter von Wentworth W. über die Nekrologe auf ihren Vater (der Anlaß war meine Absicht, dessen Andenken meine "Parabel v. verl. S."!!! — zu widmen) und erwähnte dabei daß "sogar einige Zeilen in dem gehässigen kleinen Euscalduna erschienen seien". Doch wohl nicht gelegentlich seines Todes? Also früher und wie und warum?

Ich schicke diesen Brief wie |8|den spanischen Text als Kreuzband nach San Sebastián, da Sie ja Mitte oder Ende Juni nach dort zurückzureisen beabsichtigen und möglicherweise die Briefsachen nicht mehr in Praia da Granja Sie treffen würden.

Mit herzlichstem Gruß

Ihr

HSchuchardt

Aus meinen Zeilen haben Sie ersehen daß ich Azkues Morfología erhalten habe; ich werde mich gründlich damit beschäftigen, aber rasch geht das jetzt nicht.

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1 Se refiere a la traducción deH. S. (1923d)que sigue a la versión alemana.

2 Cf. Meillet (1923): 269.

3 H. S. „Individualismus“, Euphorion Ergänzungsheft 16 (Festschrift für Bernhard Seuffert), 1923f: 1-8.

4 Según cuenta J. de U. (1934-1935): 213-215, Dogdson con la expresión „Askuense“ se refería en especial a las invenciones de Azkue enEuskal-Izkindea (1891).

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Koldo Mitxelena Kulturunea - Liburutegia (Fondo Urquijo). (Sig. s.n.)