Hugo Schuchardt an Julio de Urquijo Ybarra (437-s.n.)

von Hugo Schuchardt

an Julio de Urquijo Ybarra

Graz

30. 10. 1922

language Deutsch

Schlagwörter: Euskara (Organ für die Interessen der "Baskischen Gesellschaft")language Deutschlanguage Baskischlanguage Französischlanguage Spanisch Navarro Tomás, Tomás Azkue y Aberasturi, Resurrección María de Meyer-Lübke, Wilhelm Urtel, Hermann Spanien Schuchardt, Hugo (1924)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Julio de Urquijo Ybarra (437-s.n.). Graz, 30. 10. 1922. Hrsg. von Bernhard Hurch und Maria José Kerejeta (2007). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3669, abgerufen am 16. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3669.


|1|

Graz, 30 Okt. '22

Lieber Freund,

Haben Sie vielen Dank für Ihren liebenswürdigen und ausführlichen Brief vom 18. d.M. Zunächst für Ihren Bericht über den politischen Zwischenfall, der mich eigentlich nur von seiten der Menschlichkeit interessierte. Dabei kam mir auch meine Begegnung mit Don Alfonso XII. wieder in Erinnerung, dem sein Sohn wohl äußerlich nicht ähnelt, er hat von seiner Mutter die habsburgische Physiognomie. A. XII empfing mich 1879 — Sie sprechen von |2|meinem Aufenthalt in Spanien als im Jahre 1875 stattgefunden (im Oñate-Vortrag) — in Aranjuez sehr liebenswürdig; er entschuldigte sich sogar mich haben warten zu lassen, er habe gerade Ministerrat gehabt. Sprach anfangs deutsch mit mir, das er ja als alter Wiener vollkommen beherrschte und mit Rücksicht auf seine Braut — er deutete auf das hohe Bild vor dem er saß — in Übung halten zu müssen glaubte; er berichtete mir und recht anziehend über tauromachische Dinge.

Ich bin Ihnen für die Überlassung des Buches von Navarro Tomás, und noch dazu Ihres eigenen Exemplars sehr verbunden. Etwas was ich darin suchte, |3| habe ich allerdings nicht gefunden: eine Bemerkung über die besondere Aussprache des auslautenden n nach betontem Vokal; ich habe corazon usw. immer als korasong (deutsche Schreibung; ng gutturales n wie im d. lang) gehört. Es mag aber sein daß dabei eine Gehörtäuschung unterlaufen ist. Was das n vor p, b anlangt, das Azkue u.a. im Baskischen statt m schreiben, so nehme ich eine Gehörtäuschung auf der andern Seite an. Sind nun solche Schreibungen wie anparau wirklich offiziell geworden?

Die eigentliche, wenigstens die wichtigste Ursache für die Aufschiebung des Sprachatlas finde ich in Euskera 3,3 S. 50;1 es ist die Schwierigkeit die Geldmittel zu beschaffen. Ich glaube, es bedarf durchaus nicht so großer wie hier angenommen wird. Aber darüber mögen andere |4| entscheiden, vor allem jedoch […] zu Grundlegung der Angaben über die Herstellung des franz. Sprachatlas. Für mich steht so fest daß es kein sichereres Mittel zur Weckung, Aufrechterhaltung, Förderung des ausländischen Interesses gibt als die Schaffung des Sprachatlasses. Besonders wenn das nächst wichtige Unternehmen, die Vollendung des spanisch-baskischen Wörterbuchs fallen gelassen wird.

Was meine Wenigkeit anlangt, so ist sie mehr Wenigkeit denn je. Wir haben einen unglaublich schlechten Herbst gehabt, zwei sonnenlose Monate! Heute scheint sie endlich einmal wieder. Ich, ein Sklave des Wetters, ein Fanatiker der Sonne, leide sehr unter diesen Umständen und es wäre doch schon mit dem: Senectusipsamorbus genug. Da ich |5|mich sehr schwach fühle und z.B. ein einziger Brief mich manchmal zwei, ja drei Tage kostet, so begnüge ich mich mit einigen Andeutungen. Ich brauche täglich ein gewisses Quantum geistiger Beschäftigung; und dazu habe ich mir die Parabel erkoren. Also nicht sowohl um Nützliches für andere zu schaffen, sondern um mir selbst zu nützen. Sobald ich — was ja aus mehr als einem Grunde im allgemeinen zweifelhaft ist — zu einem abschließenden Ergebnis gelangt bin, werde ich Ihnen darüber eingehend berichten.

Anbei das Artikelchen zurück! Die Überschrift dieser Kleinigkeit fordert durch die Größe der Buchstaben geradezu den Spott heraus; ja, wird man sagen, das ist allerdings das höchste Hochwasser. Ich hatte noch ein anderes Etymologicum beilegen wollen; aber ich bin wie gesagt, zu schwach, und anderseits soll der Brief noch heute abgehen, morgen würde er |6|1500 Kronen Porto kosten. Übrigens beginnt das ins Auge gefaßte Wort mit m, fällt also vielleicht in die Gruppe der von Meyer-Lübke behandelten Wörter.2

Urtel schrieb mir daß er Ihnen eine Photographie die er von mir im August aufgenommen hatte, schicken werde. Sie ist, wie alle Bekannten die sie gesehen haben, urteilen, sehr getroffen. Ich wurde durch den photographischen Angriff überrascht, konnte mich aber nicht dazu “herrichten”.

Mit herzlichem Gruß

Ihr ergebener

HSchuchardt

|7|

1 R. M. de Azkue „Institut d'Estudis Catalans“, Euskera 3.3 (1922b): 43-54.

2 V. H. S. (1924a).

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Koldo Mitxelena Kulturunea - Liburutegia (Fondo Urquijo). (Sig. s.n.)