Hugo Schuchardt an Julio de Urquijo Ybarra (433-s.n.)

von Hugo Schuchardt

an Julio de Urquijo Ybarra

Graz

08. 09. 1922

language Deutsch

Schlagwörter: Revue internationale des études basques Tercer Congreso de Estudios Vascos (Guernica 1922) Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften (Berlin)language Baskischlanguage Spanischlanguage Französischlanguage Deutsch Humboldt, Wilhelm von Farinelli, Arturo Azkue y Aberasturi, Resurrección María de Miklosich, Franz von Mussafia, Adolf Gartner, Theodor Campión y Jaymebon, Arturo Graz Schuchardt, Hugo (1880) Schuchardt, Hugo (1884) Schuchardt, Hugo (1905) Schuchardt, Hugo (1913)

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Julio de Urquijo Ybarra (433-s.n.). Graz, 08. 09. 1922. Hrsg. von Bernhard Hurch und Maria José Kerejeta (2007). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3667, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3667.


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Graz, 8 Sept. ’22

Lieber Freund.

Ich brauchte Ihnen nicht zu wiederholen daß bis zu meinem Ende mich die baskischen Dinge beschäftigen werden, wohl aber muß ich hinzufügen daß das nicht ohne Vergeßlichkeiten und Zerstreutheiten abgehen kann.

Daß ich über das Schicksal der beiden Bände von W. von Humboldts Werken so schlecht unterrichtet war! Die Aufklärung wurde mir erst durch die RB (letztes Heft, A. Farinelli)1 und noch vollständig durch das mir eben zugekommene Heft über den Tercero Congreso de estudios vascos zuteil.2 Ich hätte mir das motivierte Ansuchen ersparen können, das ich an die BerlinerAkademie richtete; man schickte mir das Gewünschte nicht, da es ja schon im Besitz der Akademie und die|2| Übersetzung vorbereitet sei.

Die paar dürftigen Verse die ich als Gruß für den Kongreß an Azkue sandte, haben mir noch hinterher Bedenken erregt; sie könnten entweder unverständlich erscheinen oder mißverstanden werden. Der Baum von Guernika läßt sich nämlich nicht schlechtweg als Sinnbild des Baskentums ansprechen; er hat sich ja, so viel ich weiß, zweimal wenigstens durch einen Schößling fortgepflanzt, gegen Anfang und gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Somit eher als Sinnbild des sich verjüngenden Baskentums; in Prosa hätte ich das besser, aber zugleich nur weitschweifiger ausdrücken können: die Basken vereinigen den Ruhm das älteste und das jüngste Volk Europas zu sein. Dabei läßt sich aber sein Rinascimento nicht mit einem bestimmten Anfangspunkt (etwa Oñate?) begrenzen. |3|Auf die Berichterstattungen über die in meinen Gesichtskreis fallenden Vorträge bin ich außerordentlich gespannt. Ich wundere mich zunächst daß — wofern nicht meine Augen daran Schuld sind — ich über den vor allem wichtigen Sprachatlas nichts zu finden ist. Sonst interessieren mich zwei Vorträge im besondern: der eine über die linguistische Organisation der künftigen baskischen Universität.3 Ich habe mich Ihnen gegenüber schon in dieser Hinsicht geäußert. Die Organisation der deutschen Universitäten kann hier nicht ohne weiteres als Vorbild dienen, erstens weil die Stellung des Baskischen zwischen Spanisch und Französisch dort kein Gegenstück hat und zweitens weil dort das Studium der lautlichen Seite der Sprache bisher ungebührlich in den Vordergrund gerückt die psychologische und kulturhistorische vernachlässigt worden ist. — Der andere Vortrag den ich im Auge habe, geht mich besonders an, der von A. Léon über die Synthese des Verbs.4 Vielleicht |4|kann ich in absehbarer Zeit eine Nachricht über den Kern von Léons Vortrag erhalten, die Grundsätze denen er folgt.

Ich wünschte nämlich in meiner Parabel Rücksicht darauf zu nehmen, nicht insofern als eine Änderung meiner seit lange gefestigten Anschauungen vorauszusetzen wäre, sondern um mich nicht etwa in allzu schroffen Gegensatz zu dem mit so vielen Schwierigkeiten ringenden Forscher zu setzen.

Was nun mein Schmerzenskind, die besagte Parabel anlangt, so bin ich zu folgendem Ergebnis gelangt. Ich stelle mir sie vor als ein kleines Handbuch für ausländische (besonders deutsche) Gelehrte die sich in das Studium des Baskischen einlassen wollen. Etwa zwei bis drei Bogen Großoktav, Typen und Ausstattung nach meiner Wahl. Nicht bloß einmalige Korrektur, bis zum letzten Augenblick möglich. Kurz der Druck müßte |5|unter meinen Augen vor sich gehen, das heißt hier in Graz, und zwar in der ausgezeichneten Buchdruckerei Styria, in der ich seit vier Jahrzehnten eine Reihe von Festschriften (so zur Camoensfeier, für Miklosich, Mussafia, Gartner u.a.)5 und Flugschriften z.B. über Weltsprache auf meine Kosten habe drucken lassen. Das wäre in früheren Zeiten mit der Parabel kinderleicht gewesen, und es ist jetzt ganz unmöglich. Doch habe ich mich über die etwaigen Kosten unterrichten wollen, aber nicht einmal eine beiläufige Antwort erhalten können; der Augenblick ist besonders ungünstig — seit 8 Tagen haben wir einen Buchdruckerstreik, der sich, so viel ich weiß, über ganz Deutschösterreich erstreckt.*) Also habe ich die Sache — ad calendas graecas — zurückgestellt.

*) Die Valuta ändert sich zudem von Tag zu Tag.6

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Ich grüße Sie herzlichst und bitte Sie die andern die mich kennen zu grüßen, vor allem A. Campión. Ich bedaure sehr mich immer meiner Muttersprache bedienen zu müssen; spanisch zu schreiben ist mir ja nicht unmöglich, kostet mir aber doch einige Mühe und ich bin in meinem Alter nur sehr mäßiger Anstrengungen fähig.

Ihr getreuer
HSchuchardt

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1 A. Farinelli (1922).

2 Bajo esta formulación ambigua, H. S. se refiere al tercer cuaderno de RIEV 13 (1922), que en este momento aún no ha salido a la luz.

3 Meyer-Lübke (1923a).

4 A. Léon „El verbo sintético“, Tercer Congreso de Estudios Vascos (1923): 47.

5 V. H. S. (1880, 1884a, 1905b, 1913c).

6 Junto con esta carta se conserva un manuscrito de puño de J. de U. con la traducción al Español de la misma. Parece hecho como ejercicio de alemán.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Koldo Mitxelena Kulturunea - Liburutegia (Fondo Urquijo). (Sig. s.n.)