Louis Adolphe Terracher an Hugo Schuchardt (01-11591)

von Louis Adolphe Terracher

an Hugo Schuchardt

Straßburg

05. 06. 1924

language Französisch

Schlagwörter: Société de Linguistique Romane Hurch, Bernhard (2006)

Zitiervorschlag: Louis Adolphe Terracher an Hugo Schuchardt (01-11591). Straßburg, 05. 06. 1924. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3594, abgerufen am 19. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3594.


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RÉPUBLIQUE FRANÇAISE
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UNIVERSITÉ DE STRASBOURG
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INSTITUT DE LANGUE
ET DE LITTÉRATURE FRANÇAISES
Strasbourg, le 5 juin 1924.

Monsieur,

Je suppose que vous êtes au courant du projet de fondation d’une Société de Linguistique romane1 dont la circulaire ci-incluse2 vous rappellera l’idée. Une entreprise de ce genre ne peut prospérer que par son caractère international: c’est pourquoi les articles peuvent être écrits en allemand, anglais, français, espagnol ou italien, au choix des collaborateurs.

Il n’est pas nécessaire que je vous dise quel honneur et quelle force ce serait pour nous, si vous vouliez bien nous donner un article pour notre premier fascicule, qui paraîtra vers mars-avril 1925. Je n’ai pas l’audace de suggérer un sujet quelconque; mais je crois qu’une vue d’ensemble sur l’histoire de la linguistique romane serait hautement appréciée de tous.3

J’espère, Monsieur, qu’il vous sera possible et agréable de nous faire cet inappréciable honneur et, dans l’attente d’une réponse que je souhaite favorable, je vous prie d’agréer l’expression de ma plus parfaite et respectueuse considération,

A. Terracher


1 Schuchardt war in der Tat informiert, und zwar durch Schädels Rundbrief vom 16.2.1924 (Lfd. Nr. 05-09994). Terracher konnte dies jedoch nicht wissen, weshalb sein Einleitungssatz eine Mischung aus Unterstellung und Höflichkeitsfloskel ist.

2 Hier als zweiter Brief (Lfd. Nr. 02-11590) transkribiert. Aus der Tatsache, dass das Formular nicht abgeschickt wurde, darf man schließen, dass Schuchardt der Société auch nicht beigetreten ist (s.u. Anm. 3).

3

Da Schuchardt, nicht zuletzt aus Gesundheitsgründen, diesen Artikel nicht verfasst hat, wandte Terracher sich möglicherweise an Meyer-Lübke, s. Anm. 1 zu 03-11592. - Höchst aufschlussreich ist in diesem Kontext Schuchardts Korrespondenz mit Leo Spitzer, der Anfang April 1924 in Paris weilte und mit Oscar Bloch über die Gründung der „Société de Linguistique romane“ und deren Zeitschriftenprojekte sprach. Laut Spitzer bat Bloch ihn, auf Schuchardt einzuwirken, der „Revue de Linguistique romane“ einen Beitrag zu liefern. Schuchardt machte für seine Zurückhaltung offenbar sein Alter geltend, doch scheinen auch politische Gründe wie die einseitige Kriegsschuldzuweisung an Deutschland durch Frankreich eine Rolle gespielt zu haben. Spitzer versuchte, ihn umzustimmen, denn es sei sein „altes Steckenpferd, daß in solchen programmatischen Dingen von den Kontingenten – Alter, Gesundheit, Stoffmangel, Lustmangel etc. – abgesehen werden müsse“. Und weiter: „Wenn also Meillet als Angehöriger der Siegernation die Hand reicht, so sollte Schuchardt als Angehöriger der Besiegten die Hand nicht ausschlagen“ (zit. n. Bernhard Hurch, Leo Spitzers Briefe an Hugo Schuchardt, Berlin-New York 2006, 322-323: Brief 386-11141 vom 3.5.1924).

Einem weiteren Brief Spitzers vom 12.6.1924 kann man entnehmen, dass Schuchardt im Falle der Ablehnung fürchtete, als Antisemit dazustehen, wobei offenbar die Tatsache, dass Oscar Bloch Jude war, eine gewisse Rolle spielte: „Ich glaube, in dem Prospekt Bl-T. [=Bloch-Terracher (FRH)] steht nur von ,tous les romanistes‘ od. dgl., damit ist das Übernationale ja doch angedeutet u. schließlich kommt alles auf die Durchführung an, die ja nichts zu wünschen übrig läßt. Ich habe in meiner Antwort auf den Prospekt deutlich geschrieben, ein ,approuver‘ meinerseits könne nur unter der Voraussetzung der Mitarbeit von Gelehrten aller Nationen geschehen. Wenn Sie nun absagen, ist meine Mission des praktischen Zusammenbringens von Gelehrten, die einander ja doch brauchen und einander auch nicht feind sind, gescheitert. Wieso Sie in den Geruch des Antisemitismus kommen sollen, ist mir unklar – wenn Bloch Jude ist, so ist es Terracher doch nicht, der im Hintergrund stehende Meillet auch nicht. Daß ein teilnehmender Jude ein Unternehmen zu einem ,jüdischen‘ stempelt, ist überhaupt nur eine traurige Erscheinung unserer Tage“ (zit. nach: Leo Spitzers Briefe cit., 332-333: Brief 392-11147)

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 11591)