Bernhard Schädel an Hugo Schuchardt (05-09994)

von Bernhard Schädel

an Hugo Schuchardt

Hamburg

16. 02. 1924

language Deutsch

Schlagwörter: Universität Straßburg Société de Linguistique Romane Revue de Linguistique Romane Publikationsvorhaben Revue de Dialectologie romane Bulletin de Dialectologie romane Politik- und Zeitgeschichte Erster Weltkrieg Publikationswesen École pratique des hautes études Société internationale de dialectologie romane Terracher, Louis Adolphe Bloch, Oscar Meyer-Lübke, Wilhelm

Zitiervorschlag: Bernhard Schädel an Hugo Schuchardt (05-09994). Hamburg, 16. 02. 1924. Hrsg. von Frank-Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3535, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3535.


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Seminar für romanische Sprachen und Kultur Hamburg, den 16.II.1924
der Hamburgischen Universität

Von Herrn A. Terracher1, Professor an der Philosophischen Fakultät in Strassburg, wird z. Zt. ein von Herrn O. Bloch2 in Paris und ihm selbst unterzeichneter Werbeprospekt, der zum Beitritt zu einer „Société de linguistique romane“ auffordert, auch innerhalb Deutschlands verschickt. Diese Gesellschaft soll eine Revue sowie eine Bibliographie herausbringen.3

Soweit Einzelheiten aus dem Werbeprospekt ersichtlich sind, handelt es sich um eine Copie der bis zum Jahre 1915 von mir herausgegebenen „Revue de Dialectologie romane“ nebst Bulletin, die infolge der Kriegsverhältnisse und der Schwierigkeiten der Nachkriegszeit nach Abschluss des sechsten Bandes sistiert worden war.4

Von den Herren Bloch und Terracher ist inzwischen nicht bei mir angefragt worden, ob mit einem Weitererscheinen des in Hamburg redigierten und durchaus international gerichteten Organs zu rechnen sei.

Ich gestatte mir hierdurch zunächst vertraulich mitzuteilen, dass ich seit einer Reihe von Monaten in Gemeinschaft mit W. Meyer-Lübke, Bonn, in Fortsetzung der „Revue de Dialectologie romane“ die Herausgabe einer „Zeitschrift für romanische Sprachwissenschaft“ vorbereite. Die verlegerischen Vorarbeiten sind soweit gediehen, dass in aller Kürze mit einer Inangriffnahme der redaktionellen Arbeit gerechnet werden kann. Diese Zeitschrift wird in Hamburg als deutsches Organ erscheinen und in allen Ländern, in welchen romanische Sprachwissenschaft getrieben wird, ihre Verbreitung suchen.5

B. Schädel6


1 Adolphe Terracher (1881-1955) war ein angesehener und zeitweise einflussreicher französischer Romanist, Schüler Jules Gilliérons, der bereits mit 21 Jahren die Agrégation erreichte. Er machte eine internationale Karriere und gründete 1919 gemeinsam mit Gustave RudlerThe French Quarterly sowie 1924 mit Oscar Bloch die Revue de Linguistique Romane. Vgl. seine Korrespondenz mit Schuchardt (HSA Nr. 11590-11594).

2 Oscar Bloch (1877-1937), ein aus Lothringen stammender französischer Dialektologe, unterrichtete zu diesem Zeitpunkt noch am Lycée Buffon in Paris, wurde aber zwei Jahre später als Nachfolger seines Lehrers Jules Gilliéron an die École Pratique des Hautes Études berufen.

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Der Rundbrief ist als „Avant-propos“ der ersten Nummer der Revue de Linguistique romane 1925 abgedruckt:

„Nous avons l’honneur de vous informer que nous nous proposons de fonder une Société de Linguistique romane.

Dans notre pensée, cette Société doit être un centre de ralliement pour tous les romanistes: linguistes ou philologues étudiant les langues romanes dans le passé, dialectologues attachés plus particulièrement aux parlers contemporains.

Ella aura pour buts immédiats la publication d’une Bibliographie annuelle et celle d’une Revue. […]

Si, comme nous l’espérons, notre projet vous paraît intéressant et digne d’être soutenu, nous vous prions de nous envoyer votre adhésion provisoire et de nous indiquer en même temps, concernant la rédaction de la Revue et de la Bibliographie, vos désiderats dont nous nous efforcerons de tenir compte.

O. BLOCH         A. TERRACHER“.

Der Text ist auch als Rundbrief im HSA zusammen mit der Korrespondenz von Adolphe Terracher (Nr. 11590) erhalten. Schuchardt wurde am 5.6.1924 von Terracher eingeladen, der neuen „Société de Linguistique romane“ beizutreten und einen Artikel für die erste Nummer der Revue de Linguistique romane beizusteuern (HSA Nr. 11591).

4 Die Analogien zwischen beiden Projekten sind unübersehbar, zumal Terracher Gründungsmitglied der von Schädel initiierten „Société Internationale de Dialectologie Romane“ war, vgl. Bulletin cit. 33, Nr. 193: „Terracher, A. lecteur à l’université, Uppsala“. Die unterlassene Kontaktierung Schädels dürfte mit der Ausgrenzung deutscher Wissenschaftler in den ersten Jahren nach Ende des Ersten Weltkriegs zusammenhängen und ist kein Einzelphänomen.

5 Dieser Plan ist nicht mehr realisiert worden.

6 Es handelt sich um die maschinenschriftliche Kopie eines Rundbriefs, der möglicherweise von einem verlorenen persönlichen Schreiben Schädels begleitet wurde.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 09994)