Hugo Schuchardt an Edward Spencer Dodgson (145-41)

von Hugo Schuchardt

an Edward Spencer Dodgson

Gotha

03. 10. 1894

language Deutsch

Schlagwörter: Zeitschrift für romanische Philologielanguage Baskischlanguage Koptisch Gröber, Gustav Vinson, Julien Giacomino, Claudio Ascoli, Graziadio Isaia Gotha

Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Edward Spencer Dodgson (145-41). Gotha, 03. 10. 1894. Hrsg. von Bernhard Hurch (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3499, abgerufen am 18. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3499.


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Gotha, 3 Okt. 1894.

Lieber Herr Dodgson,

Ich würde schon Ihren Brief vom 31 Aug. beantwortet haben wenn ich nicht hätte annehmen müssen dass meine Antwort Sie auch in Pedras Salgadas nicht mehr antreffen würde. Sie müssen mir Ihre Adressen nicht auf so kurze Zeit angeben. Vorgestern erst erhielt ich in Friedrichroda Ihre Besprechung von St. Thomas’ Veröffentlichung und kann erst jetzt nach meiner Rückkehr nach Gotha Ihnen darüber schreiben; nach Vidago wo Sie bis zum 30 Sept. zu bleiben gedachten, konnte auf keinen Fall eine Nachricht von mir mehr gelangen.

Ich werde morgen Ihren Artikel an Gröber gelangen lassen, und zwar in empfehlender Form. Die wesentliche Schwierigkeit für die Aufnahme desselben besteht darin dass die Zeitschrift doch eher für Baskisches nicht eingerichtet ist. Aus den einleitenden Worten meines Artikels können Sie ersehen dass ich, der ich seit Beginn der Zeitschrift (1876) Mitarbeiter an derselben bin, um eine besondere Vergünstigung ersuchte. Gröber wird mir nun vielleicht entgegenhalten dass wenn er auch Ihre Arbeit nimmt, damit ein Präcedenzfall für weitere baskologische Beiträge geschaffen wird, der |2| Zufluss an romanistischen Beiträgen ist aber schon ein allzustarker. Immerhin werde ich Alles anführen was Gröber bestimmen könnte den Artikel abzudrucken. – Ich hätte einige Bemerkungen dazu zu machen, würde aber, da ich meine Hülfsmittel nicht zur Hand habe, erst in Graz ihnen eine bestimmtere Form geben können. So scheint mir arrossategui von irgend einer bearnischen Form entnommen die dem franz. roseau entspricht. Ich wünschte, Sie hätten sich über Vinson etwas anders ausgedrückt. Auch in Ihrem Briefe sagen Sie: „ you are too gentle with him.“ Aber Sie stehen ja selbst mit ihm noch in Beziehung, und was wollen Sie denn von mir sagen der ich so viel weniger Baskisch weiss als Vinson? Ich gestehe Ihnen dass ich von einem lagunek als Acc. Plur. bisher Nichts gewusst habe; wenn es aber auch wäre, so dürfte doch Vinson nicht sagen: “il faudrait dire: lagunek utzirik“. Bitte erklären Sie mir das! Auch Ihre Bemerkung bezüglich des “doppelten Dativs“ ist mir dunkel: “ich habe ihn diris quite unlikesie sind mir dir.“ Nein! man kann – in der mir vertrauten |3| Umgangssprache – ebenso gut sagen: sie sind mir dir mit einer ausserordentlichen Liebenswürdigkeit entgegengekommen wie, sie haben mich dir m. e. a. L. aufgenommen; dass der Dativus ethicus da wo ein objektiver Dativ vorhanden ist, sich weniger leicht einstellen wird, begreift sich. Dadurch wird aber meine Deutung des baskischen Bezugspronomens – als Dativus ethicus – nicht berührt; das Baskische hat ja eine formale Differenzirung eintreten lassen. – Die Stelle meiner Kritik die sich auf den Titel des Larramendischen Buches bezieht, scheinen Sie gänzlich missverstanden zu haben; doch kann ich Ihnen, da sie mir nicht gegenwärtig ist, das nicht im Einzelnen darthun. Ich meinte, man dürfe das El imposible vencido nicht buchstäblich nehmen da es sich um einen herübergenommenen Dramentitel handle. – Was das g in ugarte ist, wage ich nicht zu entscheiden. – Wie kann man sich die Californiako Heskualherria verschaffen? – Das ca! welches Sie in Spanien genug Gelegenheit haben zu hören, ist meines Erachtens nichts |4| Anderes als ein euphemistisch abgekürztes carajo! – Sie waren ja bezüglich des port. bai d. i. baĩ = bem schon zur richtigen Erkenntniss gelangt; wollen Sie sie wieder verläugnen? Die Sirene des Gleichklangs! Ich war sehr erstaunt als ich zum ersten Male – es war 1867 – auf italienischem Boden ja, ja ganz in dem Sinne des deutschen ja, ja hörte; aber ich habe doch nie an einen Zusammenhang beider gedacht, sondern mir bald jenes aus – già, già erklärt. – Was sagen Sie in den Archives de la Tradition Basque? Zunächst haben wir Cent chansons populaires basques, von denen mir ein vorläufiges Probeheft von 5 Liedern (mit Melodie) vorliegt. – Prof. Giacomino hat seine Arbeiten über das Baskische und Koptische fortgesetzt; und Ascoli auf dem Genfer Orientalistenkongress hat darüber ausführliche Mittheilung gemacht. – Levelező-lap heisst auf magyarisch Korrespondenzkarte, level, eig. Blatt (auch des Baums), dann Brief, levelezni, correspondirend (ich bin a Magyar tudományos akadémia levelező tagja, corr. Mitglied), lap, Seite Blatt.

Bestens grüssend Ihr
HS.1

In 8-10 Tagen bin ich wieder in Graz.


1 Von Dodgson handschriftlich ergänzt: [S]chuchardt.

Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Azkue Biblioteka (Euskaltzaindia). (Sig. 41)