Karl von Ettmayer an Hugo Schuchardt (13-02801)

von Karl von Ettmayer

an Hugo Schuchardt

Samaden

20. 11. 1909

language Deutsch

Schlagwörter: Neujahrsgrüße Atlas linguistique de la France Sprachkontakt (allgemein) Entlehnunglanguage Keltische Sprachenlanguage Romanische Sprachen

Zitiervorschlag: Karl von Ettmayer an Hugo Schuchardt (13-02801). Samaden, 20. 11. 1909. Hrsg. von Hans Goebl (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3437, abgerufen am 20. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3437.

Printedition: Goebl, Hans (1995): Karl von Ettmayer: Lombardisch-Ladinisches aus Südtirol. Ein Beitrag zum oberitalienischen Vokalismus. Die zugrundeliegenden Dialektmaterialien. Neu herausgegeben, mit einem vorwärts und einem rückwärts alphabetischen Register der Etyma, einer kurzen geotypologischen Studie zu den neuveröffentlichten Materialien, einer Biographie und einer Bibliographie sowie einer Würdigung des wissenschaftlichen Oeuvres Karl von Ettmayers. San Martin de Tor / St. Martin in Thurn (Ladinien, Südtirol): Istitut Cultural Ladin 'Micurá de Rü'.


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Hochgeehrter Herr Hofrat!

Ich erlaube mir, Ihnen zum Jahreswechsel die besten Wünsche zu übersenden. Ihre Frage wegen der inneren Sprachform werde ich demnächst so frei sein zu beantworten. Die Sache mit alauda1 meinte ich so: das kelt. alauda ist wie so viele andere kelt. Worte2 genausoweit ins Romanische übernommen worden[,] als ehemals Kelten wohnten (vgl. bes. Atlas ling.!3) Eine zweite Gruppe kelt. Worte ist heute geografisch nicht an die alten ethnol. Grenzen gebunden (bruca4, camisia5, petia6 etc.)[,] sie sind wie batuo, beta7 u.s.w. zunächst nach Rom u. von dort in die Provinzen gekommen. Tosc. lodola gehört der 2ten Gruppe an8, während frz. alouette zu [sic] ersten gehört.

Ich sammle hier Ortsnamen.

Ihr ergebenster
Ettmayer


1 Siehe dazu auch den ebenso vom November 1909 datierenden Brief 10.

2 Die Argumentation von Ettmayer ist sicher für andere Wortsubstitutionen (d. h. für den Ersatz alter lateinischer Wörter durch keltische) zutreffend. Im Falle von alauda ist allerdings aus heutiger Sicht anzumerken, dass zur Zeit Cäsars höchstwahrscheinlich der Keltismus alauda bereits zum lateinischen Normalwort für „Lerche“ geworden war und die genuin lateinische Bezeichnung für diesen Vogel (avis galerita „Vogel mit Haube“) in die Hinterhand gedrängt hatte: cf. FEW XXIV, 291-293 (alauda lerche). Ettmayer hatte damals nur das REW und den ALF (hier: ALF 36 alouette) und noch nicht das FEW und den AIS zur Verfügung.

3 Ettmayer bezieht sich auf den seit 1902 beim Pariser Verlag Champion in Faszikeln erscheinenden ALF („Atlas linguistique de la France“) von Jules Gilliéron und Edmond Edmont, wozu im Jahr 1909 von den insgesamt 35 Faszikeln schon 33 in publizierter Form vorlagen.

4 Cf. REW 1333 *brucus (gall.) „Heidekraut“.

5 Cf. REW 1550 camisia „Hemd“.

6 Cf. REW 6450 (gall.) *pettia „Stück“.

7 Wahrscheinlich beziehen sich beide Formen (batua und beta) auf dasselbe von Ettmayer als keltisch eingestufte Etymon: cf. REW 1064 beta „Runkelrübe“ (wo allerdings explizit ein gall. Ursprung verneint wird). Ähnlich kritisch zum behaupteten keltischen Ursprung ist das FEW: I, 344: beta mangold.

8 Siehe dazu AIS 497 lodola.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 02801)