Karl von Ettmayer an Hugo Schuchardt (09-02797)

von Karl von Ettmayer

an Hugo Schuchardt

Freiburg im Üechtland

02. 11. 1908

language Deutsch

Schlagwörter: Dankschreiben Biographisches Gesundheit Universitätsangelegenheiten Universität Freiburg (Schweiz) Publikationsversand Sonderabdruck Zeitschrift für französische Sprache und Literatur Druckereien Forschungsvorhaben Sprachgeschichtsschreibung Sprachwissenschaft (Reflexion) Reflexion über wissenschaftliche Disziplinen / akademische Fächer Goebl, Hans (Hrsg.) (1995)

Zitiervorschlag: Karl von Ettmayer an Hugo Schuchardt (09-02797). Freiburg im Üechtland, 02. 11. 1908. Hrsg. von Hans Goebl (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3433, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3433.

Printedition: Goebl, Hans (1995): Karl von Ettmayer: Lombardisch-Ladinisches aus Südtirol. Ein Beitrag zum oberitalienischen Vokalismus. Die zugrundeliegenden Dialektmaterialien. Neu herausgegeben, mit einem vorwärts und einem rückwärts alphabetischen Register der Etyma, einer kurzen geotypologischen Studie zu den neuveröffentlichten Materialien, einer Biographie und einer Bibliographie sowie einer Würdigung des wissenschaftlichen Oeuvres Karl von Ettmayers. San Martin de Tor / St. Martin in Thurn (Ladinien, Südtirol): Istitut Cultural Ladin 'Micurá de Rü'.


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2/11 1908
Freiburg, Schweiz
Aux Charmettes

Hochgeehrter Herr Hofrat!

Besten Dank für Ihre freundliche Karte nebst Wohnungsadressen, Von mir kann ich berichten, dass es mir körperlich seit einem Jahre vorzüglich geht, – nervöse Unannehmlichkeiten wie Migränen abgerechnet, – gut, wie in meinem ganzen Leben noch nicht. Leider kann ich dieses Wohlergehen nicht in entsprechend viele Druckbogen um|2|setzen, da ich erstlich Dekanatsschreibereien und Geschäfte1 zu besorgen habe, – doch wird das hoffentlich nach dem Suscriptionsrummel [sic]2 nicht mehr viel zu tun geben. Sodann habe ich mich auf etwas weitschichtige Pläne eingelassen, denen ich nur ungern Valet sagen würde[,] und die Puncte zu erwartender Resultate doch einigermassen fraglichen Charakters sind3.

Das eine wäre Nutzanwendung der modernen |3| Wortforschung auf die Literaturgeschichte, das Andere, die Lautlehre aus der Grammatik, in die sie meiner Ansicht nach nicht hineingehört, ganz zu eliminieren und selbständig als Sprachgeschichte schlechtweg, resp. als Teil derselben zu etablieren, nicht schematisch, wie es bisher geschah[,] sondern gemeinsam mit Wortgeschichte und äusserer Sprachgeschichte - pragmatisch.

Der Hauptvorteil, den ich mir davon verspreche, wäre, dass die Grammatik wieder zu dem werden würde[,] was sie war |4| und sein sollte: die descriptive Anatomie4 des Sprachkörpers.

Gleichzeitig mit Ihrer Karte bekam ich die Separata von zwei Etymologien5, welche mir eine Konfusion der betreffenden Druckerei bisher vorenthalten hatte. Sie dürften zwar schon die Zeitschrift f. frz. Spr.6 in die Hand bekommen haben, doch erlaube ich mir nachträglich die Übersendung der Kleinigkeit.

Nochmals für Ihre Karte dankend verbleibe ich

Ihr ehemaliger Schüler

Ettmayer


1 In Freiburg beklagte sich Ettmayer auch über die schlechten Bedingungen der Bibliotheksbenützung.

2 Vielleicht hängt die angesprochene Subskription mit dem im Jahr 1910 in Freiburg („i. Ue.“) im „Selbstverlag“ erschienenen Büchlein zur „ Charakteristik des Altfranzösischen “ (mit 132 Seiten) zusammen.

3 Diese Andeutung kann nicht zugeordnet werden.

4 Ich verweise dazu auf den Titel des 1910 im ersten Band der dreiteiligen Meyer-Lübke-Festschrift erschienenen Programm-Beitrags von Ettmayer: „Benötigen wir eine wissenschaftlich deskriptive Grammatik?“ (BIB 22 in Goebl 1995, 248).

5 Erneut handelt es sich um Sonderdrucke, die Ettmayer von einer Zeitschrift erhalten hatte: im Jahr 1908 hat er in der „Zeitschrift für französische Sprache und Literatur“ drei etymologische Miszellen (zu den Etymologien von frz. betterave und loutre sowie zur Familie von lat. catasta) veröffentlicht: BIB 10-12 in Goebl 1995, 247.

6 Es handelt sich um die 1879 gegründete und bis heute bestehende „Zeitschrift für französische Sprache und Literatur“.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 02797)