Hugo Schuchardt Archiv

Prag-Weinberge, 14.X.16.¹

Hochverehrter Herr Hofrat,

Bei meiner erst vor wenigen Tagen erfolgten Rückkehr nach Prag fand ich Ihre freundliche, an das hiesige romanische Seminar gerichtete Drucksendung vor, für die ich Ihnen namens des Instituts meinen herzlichsten Dank ausspreche. Ich habe das Verzeichnis Ihrer Druckschriften² mit größtem |2| Interesse und sich stetig steigernden Erstaunen gelesen. Denn wenn ich mir auch einbilde, die romanische Bibliographie³ gewissenhaft zu verfolgen, so war mir doch manches aus den ersten Jahren Ihrer schriftstellerischen Tätigkeit unbekannt geblieben, anderes war mir entgangen oder entfallen und gar mancher Titel war mir vollständig neu, teils weil es sich um mir fern liegende Gebiete, teils weil es sich um Erscheinungen in der Tagespresse handelt.

|3| Gleich mir werden Ihnen Viele für diese Veröffentlichung dankbar sein; denn wenn auch alle irgendwie ernst zu nehmenden Romanisten wissen, was Ihnen unsere Wissenschaft verdankt und ich beispielsweise Sie wiederholt meinen Zuhörern gegenüber als den vielseitigsten Philologen und als bedeutendsten lebenden Polyglotten hingestellt habe, so ist man doch froh darüber, Ihr Werk jetzt völlig überschauen zu können und sich Ihre ganz außergewöhnlichen Leistungen |4| und Ihre bisher unerreichte, in höchstem Grade bewundernswerte Vielseitigkeit vor Augen zu halten. Dazu kommt, daß kein anderer die erwünschte Liste so vollständig hätte geben können.

Gleich mir werden Viele auf das lebhafteste bedauern, daß Sie auf den Wiederabdruck einzelner Ihrer Schriften verzichten wollen. Trotz Ihrer Bedenken ließen sich doch m.E. verschiedene Gruppen von zusammengehörenden |5| Arbeiten ohne große Schwierigkeiten zusammenstellen. Und gar vieles hätte sicherliche weitere Kreise interessiert, was, weil in der Tagespresse erschienen, bisher nur einem beschränkten Leserkreis zugänglich war. Ohne Ihnen lästig fallen zu wollen, möchte ich, sehr geehrter Herr Hofrat, auch meinerseits die Bitte aussprechen, den Wiederabdruck wenigstens einzelner Ihrer Arbeiten nochmals in Erwägung zu ziehen.

|6| Mit wiederholtem [Fr. schreibt ‚wiederholten‘] Dank für die an das Seminar gerichtete Gabe und für die Belehrung, die Sie mir brachten.

Ihr hochachtungsvoll

ergebener

E. Freymond.