Gustav Pergl an Hugo Schuchardt (01-08749)
von Gustav Pergl
an Hugo Schuchardt
08. 08. 1902
Deutsch
Schlagwörter: Österreichische Akademie der Wissenschaften (Wien) Übersetzung Literaturbeschaffung Publikationsversand Weltsprache Kaiserliche Akademie der Wissenschaften (Wien) Langue bleue (Bolak) Plansprachen Esperanto Bollack, Léon Lorenc, František Vladimír Osthoff, Hermann (1899) Schuchardt, Hugo (1904)
Zitiervorschlag: Gustav Pergl an Hugo Schuchardt (01-08749). Pilsen, 08. 08. 1902. Hrsg. von Verena Schwägerl-Melchior (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3393, abgerufen am 15. 10. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3393.
Pilsen, am 8. August 1902
Sehr geehrter Herr Professor!
Durch Herrn Bollack,1 den Autor einer interntionalen [sic] Hilfssprache benannt die Blaue Sprache, wurde ich aufmerksam gemacht, dass Sie, geehrter Herr Professor, von der k. k. wissenschaftlichen Akademie beauftragt wurde, den Stand der Weltsprachen zu untersuchen.2
Als eifriger Anhänger der Weltsprachenidee befasse ich mich durch längere Zeit mit dem Studium und der Verbreitung derselben in Böhmen. Ich erachte es deshalb als meine Pflicht Ihnen mitzutheilen, dass seit der Veröffentlichung der tschechischen Grammatik der Blauen Sprache,3 in derselben eine nicht unterschätzende Konkurrentin des Esperanto erwachsen ist, umsomehr als gerade ein grosser Teil der Esperantisten von der Superiorität der Blauen Sprache überzeugt ist. So schrieb mir der Verfasser der ersten tschechischen Grammatik des Esperanto Herr Fr. Lorenz:4 "Mir sind fast alle Systeme der internationalen |2| Sprachen bekannt, jede hat etwas Gutes und etwas schlechtes an sich. Die Blaue Sprache istaber [sic] unzweifelhaft das leichteste und neutralste aller veröffentlichten Systeme.
Bitte geehrter Herr Professor nicht aus diesem angeführten schliesen [sic] zu wollen, dass ich vielleicht beabsichtige Sie für etwas einzunehmen, es würde mich aber ausserordentlich freuen wenn ich hoffen dürfte Ihr werthes Urtheil über dieses Weltsprachensystem zu erfahren, in dem ich nach langem Suchen und Vergleichen die internationale Verkehrssprache der Zukunft erblicke
In der Hoffnung, dass Sie, geehrter Herr Professor, mir diese meine bitte nicht übel nehmen werden, verbleibe ich
Mit Hochachtung Ihr ergebener
Ing. St. G. Pergl5
P.S. Sollten Sie, geehrter Herr Professor, die über die blaue Sprache erschienene [sic] Werke vom Herrn Bollack aus Paris noch nicht erhalten haben so würde ich es mir als zur besonderen Ehre gereichen, wenn ich Ihnen dieselben nach diesbezüglicher Ihrerseitigen Benachrichtigung übersenden ürfte [sic].6
1 Léon Bollack (1859-1925), französischer Erfinder der nach ihm auch als Bolak bezeichneten Langue Bleue und Autor des 1899 erschienenen Werks La Langue Bleue – Bolak – Langue Internationale Pratique. Paris: Ed. de la Langue Bleue.
2 Schuchardt wurde am 4. Juli 1902 von der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften aufgefordert „die auf Schaffung einer künstlichen internationalen Hilfssprache gerichtete Bewegung im Auge zu behalten und vorkommendenfalls über selbe an die Akademie zu berichten“ (zitiert aus Schuchardt 1904: 281). Er kam dieser Aufforderung durch seine Publikation Bericht über die auf Schaffung einer künstlichen internationalen Hilfssprache gerichtete Bewegung (Schuchardt 1904) nach.
3 Die von Pergl angefertigte tschechische Übersetzung der Grammatik des Bolak wurde unter dem Titel Modrá řeč - Bolak - praktická mezinárodni řeč : uĉebnice 1902 in Pilsen publiziert. Online hier.
4 Vermutlich František Vladimír Lorenc (1872-1957), aus der heutigen Tschechischen Republik stammender Esperantist.
5 Eigenhändig.
6 Weder der Altbestandskatalog noch der digitale Katalog der Universitätsbibliothek Graz verzeichnen das Werk Bollacks. Auch Pergls Übersetzung der Grammatik der Langue Bleue scheint hier nicht auf.