Hugo Schuchardt an Edward Spencer Dodgson (099-31)
von Hugo Schuchardt
13. 08. 1893
Deutsch
Schlagwörter: Euskal-Erria: Revista bascongada Webster, Wentworth Thomas, Thomas Llewellyn Arzác y Alberdi, Antonio Stempf, Victor Azkue y Aberasturi, Resurrección María de Eys, Willem Jan van
Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Edward Spencer Dodgson (099-31). Graz, 13. 08. 1893. Hrsg. von Bernhard Hurch (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3339, abgerufen am 24. 03. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3339.
Graz 13 Aug 1893.
L. H. D.
Ich danke Ihnen für das übersandte Büchlein und für Ihre Bemühungen, mir die gewünschten Auskünfte zu verschaffen.
Was heisst das: if I had more money and more confidence in your friendship? Ich denke bezüglich meiner sind Sie besser unterrichtet, als bezüglich Jemand Anderes; denn ich bin sehr aufrichtig, Sie haben sich ja sogar über meine Aufrichtigkeit beklagt. Wenn ich aber in manchen wissenschaftlichen Anschauungen mich durchaus von Ihnen trenne, so hindert das nicht dass ich Ihnen nicht nur das Beste wünsche, sondern auch Sie in Allem zu fördern bereit bin. Freilich Ihrem Geldmangel kann ich direkt nicht abhelfen; aber denken Sie nur wieviel von uns deutschen Professoren nicht noch ärmer wären als Sie wenn Sie nicht eben ihre Berufsstellung hätten! Ob Sie nun eine geeignete Stellung nicht finden können oder diejenigen die sich Ihnen darbieten, nicht geeignet für sich halten, das weiss ich nicht. Auch über Ihre Aussichten in Portugal bin ich nicht weiter unterrichtet. Ich |2| kann Ihnen nur Eines zum Troste sagen, wenn das Gold Sie auch nicht allzusehr belastet, so erfreuen Sie sich wenigstens ihrer goldenen Freiheit. Sie thun und lassen was Ihnen gefällt und durchstreifen die Welt wie es Ihnen gefällt; Sie haben vor Allem hinreichende Gelegenheit sich an lebendigem Baskisch zu sättigen – so gut wird es Andern wie Pastor Linschmann u.s.w. nicht. Ich wiederum bin durch meine Nerven grossentheils um Genuss ebenso wie um Arbeit betrogen. Sie haben ein Stück meines Lebens in München gesehen; ich war acht Tage dort und habe Nichts anstellen können als melancholisch im Englischen Garten spazieren zu gehen. Also seien Sie mit Ihrem Geschick nicht zu unzufrieden!
In meiner Abhandlung über das baskische Verbum kann ich von Ihren Liçarraga-Studien nichts mehr sagen; es ist ja schon im März fast ganz gedruckt gewesen, jetzt habe ich es nur korrigirt. Auch habe ich diese Arbeiten – eben wegen meines leidenden Zustandes (ich bin ja immer noch matt und wenig arbeitsfähig) – noch nicht genauer ansehen können, und weiss |3| deshalb überhaupt nicht, ob sich Formen darin finden die neues Licht auf die von mir besprochenen Erscheinungen werfen. Aber die nächste Gelegenheit Ihrer rühmend zu gedenken, werde ich nicht vorübergehen lassen.
Ich wiederhole Ihnen dass man, wenn man in baskischer Grammatik arbeiten will, vor Allem über die verbos irregulares unterrichtet sein muss. Man sollte zunächst die Angaben von Larramendi und Lardizabal (bei dem sehr viele Druckfehler sind) genau kontroliren und ergänzen. Das wäre besser als die Phantastereien oder bestenfalls Überflüssigkeiten (wie die vom guten Abbé Inchauspe) welche die Revista bascongada von Zeit zu Zeit bringt. Die Basken sollen nur das Thatsächliche über ihre Sprache mittheilen, dazu sind nur sie gut und (vorderhand) nur dazu sind sie gut. Die Deutung mögen sie uns Andern die wir eine sprachwissenschaftliche Schulung durchgemacht haben, überlassen. Wie können Sie nur dem Abbé Inchauspe glauben dass diraustaçu|4| eine zusammengezogene Form von irudautsi „reflectiren u.s.w.“ sei! Was Ihnen der Abbé Lapeyre gesagt hat dass man auf labourdisch vousmedevezquelquechose mit me als Akkusativ sage, musste Ihnen selbst der Sie ja ein halber Saratarra sind hinlänglich bekannt sein. Haben Sie denn dort nie gehört: zembat zor zaitut? für zembat zor dautzut? – Sie verwechseln deitzen Part. deitu mit eritzen Part. eritzi. Für deritzat sagt man natürlich ganz gewöhnlich mit Underdrückung des r: deitzat.
Ich habe heute an W. Webster geschrieben; Sie verkehren wie es scheint, gar nicht mehr mit ihm? Ich wünschte die Veröffentlichung von Llewelyn Thomas unmittelbar nach dem Erscheinen zu erhalten, damit ich etwas darüber schreiben kann.
An Arzác habe ich neulich geschrieben; es handelte sich um das Abonnement für die Euskal-herria.
Können Sie mir die genaue Adresse von V. Stempf und Azkue geben? Es handelt sich darum, Ihnen meine Studie zu schicken. Van Eys wird sehr böse auf mich werden; aber meine Polemik gegen ihn ist eine sachlich begründete.
Mit besten Grüssen
Ihr
HS.
Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Azkue Biblioteka (Euskaltzaindia). (Sig. 31)