Jacob Sket an Hugo Schuchardt (6-10700)
von Jacob Sket
an Hugo Schuchardt
24. 02. 1886
Deutsch
Schlagwörter: Kres Universitätsbibliothek Graz Lexikographie Dialekte Archiv für slavische Philologie Kasus (syntaktisch) Etymologie Sprachkontaktphänomene Sprachprobe Slowenisch
Deutsch
Altkirchenslawisch
Sanskrit Schuchardt, Hugo (1886)
Zitiervorschlag: Jacob Sket an Hugo Schuchardt (6-10700). Klagenfurt, 24. 02. 1886. Hrsg. von Karin Almasy (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3320, abgerufen am 29. 09. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3320.
Geehrter Herr Professor!
Auf Ihren freundlichen Brief kann ich leider erst heute eine ausführlichere Antwort folgen lassen. Die baldige Vollendung des 25 Druckbogen enthaltenden Slov. Lesebuches für die V. u. VI. Gymn. Cl.1 und die Vorbereitungen für den „Kres“2 haben meine Zeit in den letzten Tagen stark in Anspruch genommen. Es freut mich, dass die Un. Bibl. den Kres angeschafft. Die Vierteljahresschrift wird einen belehrenden u. wissenschaftlichen Character haben; dieselbe dürfte Sie interessieren. Ein slov.-deutsches Wörterbuch ist nicht sobald zu erwarten. Ein großes3 ist eben in der Ausarbeitung in Laibach, allein die Vorarbeiten sollen kaum bis zur Hälfte gediehen sein: Einige Jahre wird man noch darauf warten müssen. Sehr lohnend wäre die Abfassung eines etwas größeren slov.-deutschen Wört., als das von Janežič, allein gegenwärtig ist |2| noch dieses am Lager. Es lässt den Leser sehr oft im Stiche. Die Kenntnisse des Kärntner-Dial. und der übrigen slov. Dialecte würde ich zu erweitern suchen und auch über einen Untersteier-Dialect eine Schrift herausgeben, würde nicht mein jetziges Gymn. Lehramt die beste Zeit in Anspruch nehmen. Ich wünschte mir nur zwei Jahre Zeit, so z. B. in der Stellung eines ausserordentlichen Univ.Lehrers, dann würde ich schon einiges aufweisen können. Auf Ihre „Addenda“ bin ich begierig; es ist noch eine reiche Ausbeute zu machen.4 Das Wort: „zajtlek“ ist in meiner Heimat (Gem. Süssenberg zw. St. Marein u. Rohlitsch-Sauerbrunn) sowie in ganz Untersteiermark bekannt. Es wird schwach, wie slov. Z gesprochen. Man sagt auch: zajtelc, zajtel, zajtelk. Durch das neue Mass kommt es nach u. nach ausser Gebrauch.5 Archiv VIII. 318 ist falsch mit s: sajtlek. Man sagt in ganz jungen Entlehnungen: soldat, sekirati, sablja, saperment etc. sonst aber: zeksar, zajtel; in noch älteren: žajta, žida, žakelj, žlak etc. Die Uebersetzung in Deseti brat 6 p. 157. |3| ist richtig. Es könnte auch stehen: naj je časi že tudi neljubezni proti nam.“ ohne si. Dieses si macht die Handlung, den Ausdruck innerlicher (Dat. ethicus); es verbindet das Praedicat näher mit dem Subjecte. Naj je = mag er sein, naj si je = mag er sich sein. Beim Imper. bodi steht si immer, wenn es heisst: sei es dass, in der gleichen innerlichen Beziehung. ~ Der Spielausdruck der Kinder: „Čuri-muri“ kommt überall vor. In Kärnten sagt man noch heute so: „Čuri-muri, pojdi vén.“ (komme heraus). Man meint die Feldgrille; muri, aslov.моуринъ [mоurinъ], Mikl. d.v. мoдръ [mоdrъ]. schwarz. Čuri ist wahrscheinlich nur onomatopoetisch. In das Loch der Grille hält man einen Strohhalm und kitzelt so dieselben heraus (Grillen Kitzeln), was den Kindern große Freude macht. Der Pfarrer D. Trstenjak hat im „Slovenski glasnik“ 1860. p. 110 von diesem Kinderspiele das Gleiche berichtet. Der Spruch lautet in Steiermark an der Stainz:
„Čuri-muri, gospon gril!
Pojdi vun! – Vaši konji pa so v popovi pšenici.“
D. T. etymologisiert natürlich dabei: Čuri sansk.džiri = gril, und muri = črn (schwarz), daher čuri muri = gril črn. Auch die Perser sollen (nach Bericht des Baron Hammer) die Grille čur mur, mur čur nennen. So D. T. 7|4|
Er scheint mir zuweit gegangen zu sein. Jarnik Etym. W.8 p. 64. verbindet es mit muri = schwarze Grille, schwarzer Ochs, was auch Janežič in sein Wört.9 aufgenommen hat. Weiteres ist mir darüber nichts bekannt. Vielleicht gibt Ihnen das Mitgetheilte einen Aufschluss zu Ihrem Zwecke.
Wenn Sie gelegentlich was anderes zu erfahren wünschen, so bin ich bereit Ihnen das mitzutheilen, was ich ausfindig machen kann.
Mit Hochachtung ergebenster
Sket
Klagenfurt, 24/II/86.
1 Sket (1886) .
2 Ein zwischen 1881 und 1886 von Jakob Sket (in Zusammenarbeit mit Gregor Krek und Davorin Trstenjak) in Klagenfurt herausgegebenes slowenisches Literatur- und Wissenschaftsblatt.
3 Die Rede ist vom deskriptiven slowenisch-deutschen Wörterbuch, das unter der Regie von Maks Pleteršnik und finanziert durch den Laibacher Bischof Wolf (weshalb es auch Wolfov slovar genannt wird), in dieser Zeit entstand. Pleteršnik war seit 1880 in diese Arbeit involviert und übernahm 1883 die Herausgeberschaft. Insgesamt arbeitete er 12 Jahre daran; die einzelnen Teile erschienen zwischen 1893 und 1895. Vgl. Pleteršnik (1893-1895) .
4 Gemeint ist Schuchardts zweiter Nachtrag zu Slawo-deutsches und Slawo-italienisches, den er 1886 publizierte. Sket diente ihn offenbar als Auskunftsperson zum Slowenischen; die hier von Sket ausgeführten Erklärungen nahm Schuchardt nämlich in seine Nachträge auf. Vgl. Schuchardt (1886 [= HSA 187]).
5 Diese Information ließ Schuchardt folgendermaßen in seinen zweiten Nachtrag zu Slawo-deutsches und Slawo-italienisches einfließen: „Aus Untersteiermark wir mir zajtelk (zaitel, zajtelc) angegeben.“ Sket erwähnt er nicht namentlich als Informationsquelle. Vgl. Schuchardt (1886 [= HSA 187]: 332).
6 Deseti brat [dt. der zehnte Bruder] war der erste slowenische Roman, geschrieben von Josip Jurčič und 1866 in Klagenfurt herausgegeben. In seinem zweiten Nachtrag zu Slawo-deutsches und Slawo-italienisches hat Schuchardt die hier angeführte Information aus dem Sket‘schen Sprach- und Uebungsbuch zum slowenischen Dativus ethicus aufgenommen. Vgl. Schuchardt (1886 [= HSA 187]: 345-346).
7 Gemeint ist der Diplomat und Orientalist Joseph von Hammer-Purgstall (1774–1856), der eine umfangreiche zweibändige Monographie die Geschichte der Ilchane, das ist der Mongolen in Persien ( Hammer-Purgstall 1843 ) verfasste. Im erwähnten Artikel im Slovenski glasnik erklärte Davorin Trstenjak „mythologische“ Fragmente aus der Volksüberlieferung, darunter auch dieses Kinderspiel mit den Grillen. Die Information, dass auch die heutigen Perser die Grille so nennen, habe er auf einen Besuch auf dessen Schloß Hainfeld persönlich von Baron Hammer erhalten. Vgl. Trstenjak (1860: 111). Diese Ergänzung zum Wortspiel Čuri-muri hat Schuchardt dann in seinen zweiten Nachtrag zu Deutsch-slawisches und Deutsch-italienisches aufgenommen d.h. er hat die Informationen seines Informanten Sket in seine Arbeit einfließen lassen, ohne diesen aber namentlich zu erwähnen. Vgl. Schuchardt (1886 [= HSA 187]: 337-338).
8 Jarnik (1832) .
9 Janežič (1850, 1851) .