Jacob Sket an Hugo Schuchardt (4-10698)

von Jacob Sket

an Hugo Schuchardt

Klagenfurt

01. 11. 1883

language Deutsch

Schlagwörter: Dankschreiben Biographisches Sprachunterricht Archiv für slavische Philologie Sprachkontakt (allgemein) Dialekte Lexikologie Syntax Dialektologie Sprachkontaktphänomene Morphosyntax Slawische Philologie Kreslanguage Slowenischlanguage Deutschlanguage Altgriechischlanguage Latein Jagič, Vatroslav Ignaz Scheinigg, Janez Trstenjak, Davorin Macun, Ivan Graz

Zitiervorschlag: Jacob Sket an Hugo Schuchardt (4-10698). Klagenfurt, 01. 11. 1883. Hrsg. von Karin Almasy (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3318, abgerufen am 18. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3318.


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Hochgeehrter Herr Professor!

Mit grosser Freude habe ich Ihren liebenswürdigen Brief gelesen, den Sie in den Ferien mir zu schreiben geruhten. Die Antwort auf denselben habe ich jedoch in den Anfang des Schuljahres verschoben, da ich glaubte, und vielleicht mit Recht, dass Sie verreist sind und erst im Herbste nach Graz zurückkehren. Vor allem spreche ich Ihnen meinen herzlichsten Dank aus für Ihr Wohlwollen betreffs der Anmerkungen über meine Grammatik.1 Angenehmer wäre es mir freilich gewesen, wenn Sie mir solche schon früher geschickt hätten; denn dann hätte ich dieselben in der im Herbste 1882 herausgegebenen zweiten Auflage benützt, und zwar zum Vortheile des Buches. Ich hätte Ihnen gerne ein Exemplar von der 2. Aufl. zugesandt, allein ich hatte mir leider keine Freiexemplare für spätere Auflagen ausbedungen. Jedoch würde Ihnen diese 2. Auflage bessere Dienste leisten, weil sie die Betonung |2| enthält. Ich habe es zuerst unternommen, die Worte durchgehend im Wörterverzeichnisse und in den Lectionen zu betonen, was bisher kein Lexicon und Grammatik gethan hat. Ich fusste dabei auf meinem eigenen Dialecte in Untersteiermark. Dies macht das Buch selbst für Philologen, wie sich Prof. Jagić im Archiv aussprach,2 sehr brauchbar und schätzenswert. Sonst habe ich nur einiges verbessert und ausgefeilt. Auf etwaige Mängel und Unkonsequenzen kommt natürlich am ehesten der Lernende selbst, und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir deren mehrere mittheilten. Das Verzeichnis zeigt einige Lücken. Ich habe zwar die Worte in den Lectionen zusammengestellt, allein es sind mir trotzdem viele entgangen. Für die 3. Aufl. muss ich neuerdings das Buch in dieser Beziehung durchgehen und das Wörterverzeichnis ergänzen. Ihre Bemerkung „ob p. 146 ‚Kakor se od vas poudarja“ stehen darf, ist begründet, da das „od vas“ nicht zum obigen gehört, wie es der Lernende auffassen wird, sondern „od vas“ entspricht dem Deutschen: Ihrerseits: also: „wie dies Ihrerseits behauptet wird“. Da diese Ausdrucksweise zum Misverständnis führt, so habe ich in der 2. Aufl. diesen Satz geändert und zwar lautet er jetzt: „Kakor to tukaj poudarjate“.

Bei ukradeni konj in okradeni kmet ist keine Schwankung  |3| in der Schreibweise, sondern das erste heisst: das gestohlene Pferd, das zweite: der bestohlene Bauer, was ich leider (bei okradem) im Wörterverzeichnis übersehen habe. Ich bitte Sie nochmals, solche Anmerkungen zu machen und dieselben mir freundlichst zu übermitteln, wofür ich Ihnen sehr dankbar sein werde!

Auf die Frage der Sprachmischung könnte man bei uns eine weitläufige Antwort geben. Die Beeinflussung des Deutschen auf das Slovenische ist sehr gross. Man könnte darüber ein ganzes Buch schreiben, und ich glaube, dass eine solche Arbeit dankbar wäre und zur Praecisierung der slov. Constructionen viel beitrüge. Man würde dabei eine doppelte Art der Beeinflussung beobachten. Erstens die im Dialecte dh. in der Volkssprache, und zweitens die in der Schriftsprache. Während die Volkssprache den Einfluss des Deutschen meistens nur in dem Wortschatze, da mehr dort weniger, hie und da auch in den Formen (zB. indeclinable Adj.) zeigt, so ist in der Schriftsprache und in der Schrift selbst (dh. in der Schreibweise der gebildeten Slovenen) ein solcher auch im Stile, in den Satzconstructionen, in der Stellung der Satzglieder etc. zu erkennen. Dies ist natürlich, da wir alle deutsch geschult und gebildet wurden. Umgekehrt ist aber auch unser deutscher Stil voll |4| von Slovenismen, bei diesem mehr bei anderem weniger. Ein Beispiel der Einwirkung des Deutschen auf das Slovenische im Kärntischen Rosenthaler Idiom, ersehen Sie leicht aus Scheiniggs Abhandlung des Rosenthalerdialectes3, besonders p. 583ff. u. 628ff in Kres II; einer von mir redigierten belletr. wissenschaftlichen Zeitschrift. – Eine Beeinflussung des Slovenischen auf das Deutsche könnte ich nur an der Sprachgrenze zugeben, so z.B. in Kärnten und Steiermark hart an der Grenze. So sagen die Leute in Klgft oft: der geilige Heist statt der heilige Geist, weil die Slovenen  das h statt g sprechen. Im Deutschen ist ein beträchtlicher Theil der Worte slovenischen Ursprungs, so im Kärntnerischen und Tirolerdeutsch. Ich habe von Herrn Pfarrer D. Terstenjak4 heuer Kres III. p. 112 eine kleine Sammlung aus Kärntischem Idiotikon veröffentlicht. Aus dem Tiroler Idiotikon habe ich eine solche im Manuscript v. D. T. Allein dies sind alte Ueberbleibsel des slov. Wortschatzes, der sich noch in der Sprache erhalten hat. Eine eingehende Vergleichung der deutschen Dialecte an der Sprachgrenze mit dem Slovenischen dürfte noch manches ergeben. In der deutschen Schriftsprache ist jedoch wie ich glaube ein slovenischer Reflex nur dort zu bemerken, wo dieselbe ein geborner Slovene spricht oder schreibt. Worin aber diese Eigenthümlichkeiten bestehen, könnte man beim Vergleichen leicht herausbringen. So z. B. beim Anwenden |5| des deutschen Artikels, Wortstellung, Gebrauch des Verbs mit Praepositionen (so zB. oft ich weiss für ein Haus, ném za hišo statt; ich weiss das Haus oder um das Haus, wo er wohnt), Aussprache des ch statt h, b statt w: ich berde statt ich werde etc.

Wenn man sich deutsche Aufgaben von Slovenen vorlegen lässt, so hat man alle diese Eigenthümlichkeiten auf einmal heraus, selbst an mir werden Sie deren viele finden. Falls sie etwas derartiges benöthigen, so schreiben Sie mir die speciellen Fragen auf, und ich werde trachten, dieselben zu beantworten. Besser aber wäre es noch, wenn Sie mich nach Graz ans I. Gymn. bringen könnten. Prof. Macun5 für Lat.Griech. u. Slov. ist gestorben, und diese Stelle wäre für mich wie geschaffen. Ich möchte dann mit Ihnen arbeiten, mich der Slavistik widmen und nach einigen Jahren, wenn möglich, als Docent auftreten. Wer für mich beim Herrn Minister ein gutes Wörtchen einlegen könnte, dem wäre ich mein Leben lang aus vollem Herzen dankbar. Sie kennen meine Absichten auf eine Docentur, und ich bitte Sie inständig, hierein etwas für mich zu thun, falls es Ihnen möglich wäre.

In Erwartung einer angenehmen Antwort

verbleibe ich achtungsvollst ergebenster

Dr. Sket

Klgft, i/ii 83.


1 Sket (1879) .

2 Vatroslav Jagić beurteilt in einer kurzen Anzeige im Archiv für slavische Philologie die zweite Auflage von Skets Slovenischem Sprach- und Uebungsbuch ( Sket 1882 ) sehr wohlwollend und schreibt u.a.: „Die Anwendung der Accente macht es selbst für die Sprachforscher sehr schätzbar (…)“ ( Jagić 1882: 628).

3 Scheinigg (1882) .

4 Siehe zu Davorin Trstenjak die Fußnote 1 im Brief Skets an HS vom 7. November 1877.

5 Gemeint ist der gebürtige Untersteirer, Schulmann und Literat Ivan Macun (1821–1883), der an den Gymnasien in Celje, Triest, Zagreb, Ljubljana und zuletzt ab 1870 in Graz Griechisch, Slowenisch und Latein unterrichtete und den untersteirischen illyristischen Kreisen um Stanko Vraz und Peter Dajnko nahestand. Vgl. Šlebinger (2013).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 10698)