Gottfried Baist an Hugo Schuchardt (05-00456)

von Gottfried Baist

an Hugo Schuchardt

Döckingen

Unbekannt

language Deutsch

Schlagwörter: Formale Aspekte der Korrespondenz Publikationsversand Bittschreiben Etymologie Ethnologie, Anthropologie, Volkskunde

Zitiervorschlag: Gottfried Baist an Hugo Schuchardt (05-00456). Döckingen. Hrsg. von Frank Rutger Hausmann (2016). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3242, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3242.


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Döckingen bei Heidenheim a.H.1

Hochzuverender Herr Professor!

Ich darf Inen nicht schreiben one zu erklären warum ich zwei höchst freundliche Briefe unbeantwortet liesz; und ich kann das nicht ohne ein ausfürliches Stück Selbstbiographie. Darf ich vielleicht auch one das um Ire Verzeihung bitten?

Falls Sie meine Abschrift der Logica rimada Ramon Lulls noch haben – ich wollte Sie damals bitten mir womöglich eine bezalte Collation der Sevillaner Hs. zu vermitteln, und im letzten Augenblick felte mir das Geld – so bitte ich Sie um Zusendung derselben.2

Ich habe mir erlaubt Inen ein Ex. meines Libro de la Caza3 zu schicken. Nicht als ob ich die Arbeit für gut hielte. Sie ist materiell unvollständig, konnte nicht anderst sein, und wird auch sonst die Spuren der Unlust zeigen mit der sie gemacht ist. Zufriedener bin ich mit einem beiläufigen Ergebnis, dem demnächst zu veröffentlichenden I2I Nachweis dasz die abendländische Falkenjagd aus Deutschland kam. Der Falke ist germ., mit Suffix ak (ah) von fallen, in treffender Unterscheidung des Flugbilds im Angriff vom Habicht (dieser nicht von kelt seborc, das fr. hibou, cat. siboc ergab dagegen kymr. gwalch aus dem ags. vealh). Der gerfalk, bei welchem girare paszt wie lucus a non lucendo, ist gut nordisch U.s.w.

Mit vorzüglicher Hochachtung
Ir ergebener
G. Baist


1 Zur Ortsangabe und zur „Vorgeschichte“ vgl. Brief 00455.

2 Lògica en rims, auch Lògica del Gatzel, zw. 1275-80 von Lullus ins Katalanische übersetzt. Vgl. die erste Ausgabe von Jordi Rubió i Balaguer, Anuari de l’Institut d’Estudis Catalans 5, 1913-14, 311-354, der sich auf die bereits erwähnte Münchner Hs. stützt und die Sevillaner nicht gefunden hat; danach die kritische Ausg. von Salvador Galmés, Palma de Mallorca 1936 (Obres de Ramon Llull, 19). Der Text ist u.a. überliefert in der Hs. 7-6-41 der Biblioteca Capitular y Colombina y Archivo de la Catedral (früher: Biblioteca Colombina), Sevilla, und umfasst 1604 Verse, d.h. 101 Verse mehr als die Münchner Hs. Ausgangspunkt ist Maqāsid al-falāsifa (= Die Absichten der Philosophen) des moslemischen Gelehrten Abū Ḥāmid Muḥammad ibn Muḥammad al-Ḡazālī ax-Xāfiʿī aṭ-Ṭūsī Ḥujjat al-Islām (1058-1111), ein Text, den Ramon Llull vermutlich im arabischen Original kopierte, dann ins Lateinische und danach ins Katalanische übersetzte.

3 Vgl. Brief 00455, Anm. 2.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 00456)