Eduard Boehmer an Hugo Schuchardt (01-01187)

von Eduard Boehmer

an Hugo Schuchardt

Lichtental

16. 03. 1884

language Deutsch

Schlagwörter: Publikationsversand Romanische Studien Zeitschrift für romanische Philologie

Zitiervorschlag: Eduard Boehmer an Hugo Schuchardt (01-01187). Lichtental, 16. 03. 1884. Hrsg. von Frank Rutger Hausmann (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3201, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3201.


|1|

Lichtenthal,
16. März 1884

Hochgeehrter Herr College!

meinen1 angelegentlichen Dank für Ihre Zeilen und derenBeilage.2 IhrEntgegenkommen weiß ich um so mehr zu schätzen, da ich aus der Schweiz, wohin ich vordrei Monaten eine gute Anzahl Exemplare meines Verzeichnisses versandt habe, auchnicht eine einzige Empfangsbescheinigung erhalten habe. Das von Ihnen soliebenswürdig angebotene Geschenk nehme ich dankbar an. Den ersten Bogen derInstruzziun von 1789, den ich schon besaß (Verz. S. 217), glaube ich Ihnenzurückstellen zu sollen.

|2|

Schnellers vermißte Abhandlung steht S. 210. Siegfried habe ich vergessen zuverzeichnen. Leonhardis Sprichwörter waren mir entgangen. Druck oder Correkturfehlersind natürlich unvermeidlich. Was die bibliographische Genauigkeit betrifft, soerschien es mir zweckmäßig, nicht so weit zu gehen, wie ich in meinen SpanishReformers oder in meinem Sleidan gegangen bin.3

Die interessanten Manuscripte, die Sie besitzen, lassen Sie vielleicht bei Gröberdrucken. Manches, das er gedruckt hat, ist von geringerem Werth als was Sie bietenkönnen.

In meinen Romanischen Studien bedarf ich des ganzen Raumes des laufenden Bandes füreigene Arbeiten. Zunächst muß ich mich über spanische Lautverhältnisse verbreiten.Dadurch werden die fünf sechs Bände Hispanica, die ich in den letzten Jahrenveröffentlicht habe, vielleicht anfangen für die Romanisten zu existiren. AußerHorning4 hat bisherNiemand davon Notiz genommen.

|3|

Nächstens werde ich mir erlauben, Ihnen einen Aufsatz von mir über gemeinsameTranscription5 für Französisch und Englisch zugehen zulassen.

Indem ich Ihnen noch einmal meinen Dank für Ihre gütige Zusendung ausspreche, bin ichIhr

Hochachtungsvoll

ergebener

Ed.Böhmer.


1 Im vorliegenden Fall geht es um Bd.VI (1895) der Romanischen Studien,dessen Heft XX bereits im Dezember 1883 herausgekommen war. Es besteht allein ausBöhmers Beitrag: „Verzeichniss Rätoromanischer Literatur“ (S. 109-218 [imInhaltsverzeichnis fehlt die Seitenangabe]). Heft XXI vom November 1895 enthältvier weitere Beiträge Böhmers, und zwar „Verzeichniss Rätoromanischer Literatur.Fortsetzung nebst Nachträgen und Berichtigungen“ (S. 219-238), „ZumPrädicatscasus“ (S. 334) sowie „Verzeichnis rätoromanischer Literatur. ZweiteFortsetzung“ (S. 335).

2 Schuchardt hatte den ersten Teildes Böhmer’schen Verzeichnisses im Literaturblatt für germanische und romanische Philologie 5, 1884, 119 f.[vgl. HUGO SCHUCHARDT ARCHIV, PDF online] angezeigt. Er lobte zwar dasUnterfangen, wies jedoch auf fehlende Titel hin, z.B. die Instruzziun ad imprender da bustabbiar … (Sondrio, 1789),Georg Leonhardi, Rhätische Sitten undGebräuche, St. Gallen 1844 (Sprichwörter S. 45f.) sowie J. Siegfried, Statistik der Schweizerischen Bevölkerung nachden Landessprachen. Separatabdruck aus dem 3. Quartalsheft der Zeitschr.f. Schweiz. Statistik 1883. Zudem monierte er, die Titel seien nicht gleichmäßigzitiert, Abkürzungen nicht durch Punkte markiert, die einzelnen Schriften nichtdurchnumeriert, und in bündnerischen Familien und Gemeindearchiven gebe essicherlich noch eine große Zahl von Manuskripte, die Böhmer nicht erwähnt habe.Böhmer, der im vorliegenden Brief auf Schuchardts Ausstellungen antwortet, hat diefehlenden Titel in den Ergänzungen unter Hinweis auf dessen Besprechungnachgetra]gen [vgl. in diesem Kontext auch: Paul Videsott, „Die rätoromanischenHandschriften der Sammlung Böhmer im Berliner Bestand der Biblioteca Jagiellońska / Universitätsbibliothek Krakau“,VRom 70, 2011, 150-190].

3 Spanish reformers of two centuries from1520: their lives and writings, according to Benjamin B. Wiffen’s plan and withthe use of his materials described by Edward Boehmer, 3 Bde., Straßburg:Trübner, 1874-1904; Johannes Sleidan,ZweiReden an Kaiser und Reich, Tübingen: Litterar. Verein in Stuttgart,1879.

4 Der hier zitierte ElsässerPfarrerssohn Adolf Horning (1846 – 1924), der 1879 bei Böhmer (Le pronom neutre il en langue d’oïl)promoviert hatte, hatte vier Jahre später die Untersuchung Zur Geschichte des lateinischen C vor E und I imRomanischen (Halle a. S. 1883) vorgelegt, in der er außer Böhmers Arbeitenauch die judenspanische Bibelübersetzung Arba’a ve Esrim (Wien, 1813-16) sowie diein Wiener Judezmo abgefasste Zeitschrift Koreo de Vyenah (Nummer vom 28. August 1882), die von Alexander [ShemTov] Semo herausgegeben wurde, zum Vergleich beigezogen hatte.

5 Boehmers Bemühungen umadäquate Transkription haben sich in diversen Arbeiten niedergeschlagen, z.B. „Devocabulis Francogallicis Judaice transcriptis“ (Romanische Studien 1, 1875, 197-220), „De sonis grammaticisaccuratius distinguendis et notandis“ (Romanische Studien 1, 1875, 295-302) bzw. „Diakritische Bezeichnungen derVokalbuchstaben“ (Romanische Studien 4,1880, 489-490). Anders als die API-Umschrift verzichtet Boehmer auf Sonderzeichenund verwendet stattdessen eine mit Diakritika versehene Lateinschrift. Man sprichtnoch heute von einer transcriptionBoehmer-Bourciez bzw. Böhmer-Ascoli-System. - Der hier angekündigte Aufsatz konnte nicht imDruck nachgewiesen werden.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 01187)