Leipzig, 3. April 1908
Lieber Freund.
Steindorff
Vgl.
[Eichler & Schröter (1986: 101, FN)](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.bibliography#BIBL.1564)
: "Steindorff, Georg (1861-1951), Ägyptologe; von 1893 bis 1934 Prof. in Leipzig, danach Emigration". Von
Steindorff liegen vier noch unbearbeitete Briefe im Nachlass Schuchardts vor (Bibl Nr. 11232-11235). Der erste Brief stammt vom 10.04.1908. ist nicht in Ägypten. Ich fuhr sofort nach Empfang Ihres Briefes zu ihm und traf ihn zu Hause. Er war aber verreist, nach Wien, München, Berlin; ist von dort erst gestern zurückgekommen und hat Ihren Brief vorgefunden, den er gleich beantworten wird.
Was denken Sie nur, daß
Brugmann und ich Ihnen verdenken, daß Sie in der Weltsprachenfrage uns entgegenstehen? Übrigens glaube ich, haben Sie meine Stellung zu der Sache nicht ganz richtig aufgefaßt. Ich suche in der Sprache gar nichts Mystisches, habe mich auch auf die Prinzipienfrage gar nicht eingelassen, sondern nur gefunden, daß das [
Esperanto](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.languages#L.51) ein schlechtes Machwerk ist, und das finde ich auch noch. Meine Äußerung über die Fauststelle von der Sonne "ihre vorgeschriebne Reise . . ." ist doch wohl nur ein Scherz gewesen, wahrscheinlich hervorgerufen durch den Mißbrauch, den namentlich
Knapp
Vgl.
[Eichler & Schröter (1986: 101, FN)](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.bibliography#BIBL.1564)
: "evtl. Knapp, Georg Friedrich (1842-1926), Nationalökonom; Prof. in Leipzig und
Straßburg". Elf Briefe von Knapp an Schuchardt liegen in dessen Nachlass vor (Bibl. Nr. 05671-05681). Die ältesten stammen aus dem Jahr 1872, als
Schuchardt noch als Kollege von Leskien in Leipzig wirkte. immer mit Dichterstellen trieb.
Mir geht es im ganzen gut. Ich hatte vor c. 2 Jahren einmal eine kurze Periode von Herzschwäche durchzumachen, habe das aber überwunden und mich seitdem wohl befunden. Nur habe ich damit zu rechnen, daß ich mich etwas schonen muß; die Kräfte sind nicht mehr die gleichen wie früher. Ich kann nicht mehr wie noch vor einigen Jahren 10stündige Fußtouren machen, Berge steigen, Schlittschuhlaufen u.dgl. Aber das kann man ja lassen. Sonst kann ich ziemlich leisten, was zu leisten ist. Etwas weniger Vergnügen macht mir die Arbeit, aber das mag mit den zunehmenden Jahren so kommen. In meiner Familie geht alles gut: meine Jüngste, die jüngste von 6 Kindern, wird nächstens konfirmiert, damit sind sie alle erwachsen. Zwei, ein Sohn und eine Tochter sind verheiratet, zweifacher Großvater bin ich schon, nächstens werde ich vierfacher.
Zu der [Villa](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.subjects#S.5037) wünsche ich Glück; ich finde es sehr gescheit.
Schuchardt bezog 1906/07 die für ihn errichtete [Villa Malwine](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.subjects#S.5037) in Graz, die ihm von da an gleichermaßen Lebensort und Arbeitsstätte war und unter anderem seine Bibliothek und seine Sammlung von europäischem Fischereigerät beherbergte. Die Villa ist heute im Besitz der [Universität Graz](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.subjects#S.693). Wenn ich könnte, baute ich mir hier ein Haus, aber ich bin schon in Loschwitz bei Dresden mit einem großen Grundstück und einer Villa, ich muß sagen, belastet, denn der Besitz ist zu groß und wir können das Haus nur in den paar Ferienmonaten bewohnen. So haben wir uns denn entschlossen zu parzellieren und neulich eine Parzelle verkauft, freilich nur den dreißigsten Teil, so daß uns noch Raum genug bleibt.
Ob ich im nächsten Jahr zur [
Philolologenversammlung](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.subjects#S.4292)
Die [
](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.subjects#S.4292)50. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner
fand vom 28.09. bis 01.10.1909 in Graz statt. Schuchardt beteiligte sich mit einem Aufsatz an der Festschrift Strōmateis für den Kongress (
[Schuchardt 1909 [= HSA 579]](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.bibliography#BIBL.505)
). komme? Kaum. Wir haben hier erst das Jubiläum, 500jährige, der [
Universität](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.subjects#S.718),Vgl.
[Eichler & Schröter (1986: 101, FN)](https://gams.uni-graz.at/o:hsa.bibliography#BIBL.1564)
: "Die Universität Leipzig, 1409 nach dem Auszug der deutschen Professoren und Studenten aus Prag gegründet, beging im Sommer 1909 mit einer Festwoche das 500-jährige Gründungsjubiläum". und das wird mir wohl genügen müssen.
Mit herzlichem Gruß
Ihr
Leskien