August Leskien an Hugo Schuchardt (17-06435)

von August Leskien

an Hugo Schuchardt

Leipzig

26. 12. 1904

language Deutsch

Schlagwörter: Publikationsvorhaben Biographisches Universität Leipzig Slawische Philologie Grundriss der slavischen Philologie Rossijskaja Akademija Nauk (St. Petersburg) Harrassowitz Verlag Harrassowitz, Otto Ratzel, Friedrich Jagič, Vatroslav Ignaz Leipzig Leskien, August (1905) Eichler, Ernst/Schröter, Gerhart (1986)

Zitiervorschlag: August Leskien an Hugo Schuchardt (17-06435). Leipzig, 26. 12. 1904. Hrsg. von Johannes Mücke (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3081, abgerufen am 18. 04. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3081.


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Leipzig, 26. Dezember 1904

Lieber Freund.

Sie werden sich gewundert haben, daß ich auf Ihren Brief vom 10. d.M. nicht geantwortet habe. Ich bin sonst nicht säumig im Schreiben, aber ich war bös erkältet und außerdem fast täglich geplagt mit Korrekturbogen der 4. Auflage meines Handbuchs;1 und durch beides zu allem unlustig.

Ich denke, die Uslarschen Hefte2 kann hier wohl Harrassowitz3 taxieren, und Sie werden dann das Resultat erfahren.

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Von hier ist nicht viel zu berichten. Die Universität blüht an Zuhörerzahl wie immer, und wer viele hat, freut sich daran. Ich gehöre natürlich nicht zu denen, allein ich kann mit meiner fest stehenden Hörerzahl von 10-12 eigentlich ganz zufrieden sein. Mehr kann ein auf dem Isolierstuhl sitzender Slavist nicht verlangen. Mit Kollegen komme ich wenig zusammen; alle werden älter und die Interessen sind sehr verschieden, der Umgangskreis der einzelnen ebenso. Einer mit dem ich öfter zusammenkam, Ratzel,4 ist nun auch dahin. Man fühlt auch allmählich selber das Altwerden; ich habe im Herbst eine langweilige Periode von Schlaflosigkeit durchgemacht, sie aber jetzt überwunden; mußte dabei ziemlich fleißig sein, allerlei Abhandlungen |3| verfassen, um mir den Weg frei zu machen für die Teile des geplanten Grundrisses der slavischen Philologie, den Jagić unternimmt unter Ägide der Petersburger Akademie.

Wann kommen Sie denn einmal nach Leipzig? Im Winter, namentlich wie wir ihn heuer haben, mit Regen und Nebel, ist es nicht erfreulich, aber wie wäre es im Frühling. Sie können zwar fragen: warum kommen Sie nach dem Süden? Ich sollte es eigentlich tun, einmal der Slavistik wegen, dann aber namentlich meiner Gesundheit wegen, der ein längerer Aufenthalt in einem andern Klima ganz erwünscht wäre. Aber da kommt immer die Erwägung dazwischen: gieb kein Geld aus, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Wenn man eine |4| große Familie hat, muß man rechnen; das geht einmal nicht anders.

Treten Sie das neue Jahr gut an und verleben Sie es so gesund wie möglich.

Mit herzlichem Gruß

Ihr

Leskien


1 Leskien (41905).

2 Vgl. die Briefe Leskiens an Schuchardt vom 18.02.1896 und vom 21.10.1896 (Bibl. Nr. 06423 und 06425).

3 Otto Harrassowitz (1845-1920) gründete 1872 in Leipzig den späteren Harrassowitz Verlag (heute mit Sitz in Wiesbaden). Von Harrassowitz liegen drei Briefe im Nachlass Schuchardts vor, von denen jedoch keiner im Zusammenhang mit der Anfrage Schuchardts steht (Bibl. Nr. 04407-04409, die Briefe mit Bibl. Nr. 04410 und 04411 stammen vom Verlagshaus, sie datieren auf das Jahr 1922).

4 Vgl. Eichler & Schröter (1986: 99, FN): "Ratzel, Friedrich (1844-1904), Geograph; Prof. in Leipzig seit 1886". Schuchardt korrespondierte auch mit Ratzel (vgl. Bibl. Nr. 09147-09156).

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 06435)