Hermann Suchier an Hugo Schuchardt (32-11415)
von Hermann Suchier
an Hugo Schuchardt
22. 05. 1891
Deutsch
Schlagwörter: Revue critique d'histoire et de littérature Förster, Wendelin Schwan, Eduard Tobler, Adolf Stürzinger, Jacob Meyer, Paul Leipzig Halle Jena
Zitiervorschlag: Hermann Suchier an Hugo Schuchardt (32-11415). Halle, 22. 05. 1891. Hrsg. von Bernhard Hurch (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3012, abgerufen am 12. 09. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3012.
Halle S. 22.5. 91
Lieber Freund,
Ihr ermunterndes Wort hat mir wohl gethan, und ich hoffe noch in diesem Jahr meine Französische Lautgeschichte zum Druck bringen zu können. Leider sind mir durch Arbeiten die Hände gebunden, die ich, als mir der Mammon gebrach, übernommen habe und nun aus|2|führen muss.
Leipzig hätte ich sicher nicht abgelehnt, wenn man mir soviel geboten hätte wie schliesslich Förster. In der Regel legt man nicht mehr als 1000 Mark zu dem ersten Angebot, und dann stand ich mich in Halle immer noch besser.
Ihr Urteil über Schwan’s Altfranzösische Grammatik1 muss ich vollständig unterschreiben. Dass er in Jena Professor geworden ist, hat er wohl Tobler’s Empfehlung zu |3| verdanken, der ihn von Berlin weggelobt haben wird. Ich hatte Stürzinger empfohlen, der auch durch Förster empfohlen war, leider ohne Erfolg.
Die Zahl der Studierenden hat hier zu Lande bedenklich abgenommen. Ich habe nur 13 im Kolleg.
Paul Meyer hat seine Meinung über Meyer-Lübke in der Revue critique ausgesprochen.2 Er schrieb mir einmal vor längerer Zeit von seinem Wiener Namensvetter, jedenfalls ohne die Komik selbst zu merken: il déshonore le nom de Meyer! Ich schätze Meyer-Lübke sehr, |4| muss aber allerdings zugeben dass es von Ungenauigkeiten wimmelt. Dass Ihr Standpunkt ein weit höherer ist, scheint mir wesentlich darauf zu beruhen dass er die Methode als etwas fertiges übernommen hat und nun schablonenmässig handhabt, als sei damit das Ideal schon erreicht. Für Sie ist auch die Methode der Sprachforschung nur Problem, und das Ideal nie erreichbar. Gerade dadurch wird oft Ihr blosses Fragen und Suchen so lehrreich. Ich wenigstens habe in methodischer Hinsicht von keinem andern so viel gelernt.
Mit herzlichem Gruss
Ihr
H. Suchier
1 Schwan (1888) .
2 Meyer (1891) .