Hermann Suchier an Hugo Schuchardt (22-11412)

von Hermann Suchier

an Hugo Schuchardt

Halle

18. 11. 1887

language Deutsch

Schlagwörter: language Rumänischlanguage Lateinlanguage Französisch Pogatscher, Alois Wagner, Albrecht Gröber, Gustav Halle Göttingen Suchier, Hermann (1888) Schuchardt, Hugo (1866) Schuchardt, Hugo (1867) Schuchardt, Hugo (1868)

Zitiervorschlag: Hermann Suchier an Hugo Schuchardt (22-11412). Halle, 18. 11. 1887. Hrsg. von Bernhard Hurch (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.3002, abgerufen am 29. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.3002.


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Halle S. 18. 10. 871

Verehrter College,

Ihnen zu schreiben war längst meine Absicht, nur wollte ich erst aus Westfalen nach Halle zurückgekehrt sein. Bei der Rückkehr fand ich Ihre freundliche Karte vor, die ich zunächst beantworten will.

Frățila legte mir im Sommer eine Arbeit über einige Rumänischen Präpositionen vor [sic] (besonders die mit per zusammengesetzten). Sie war noch etwas dürftig; ich ersuchte ihn sie mit stärkerer Betonung der Bedeutungsentwicklung und des Sprachhistorischen zu erweitern.

|2| Er hat mit mir einiges Rumänische gelesen, und wollte im October wieder kommen, um hier zu promovieren.

Ich wollte Ihnen schreiben, um Ihnen für gefällige Auskunft über Herrn Pogatscher zu danken. Unser Extraordinariat ist, ohne dass die Facultät befragt wurde, mit Albrecht Wagner, bisher in Göttingen, besetzt worden.

Ich arbeite an einer Darstellung der Französischen Lautgeschichte von der Römischen Occupation bis jetzt. Ich schildere die Laute des Lateinischen zu der Zeit, von der ich ausgehe, und bespreche dann sämtliche Lautentwicklungen in chronologischer Folge.2 Es ist nur ein Versuch, und ich wüsste gern ob Sie mich dazu ermutigen. Ihre Arbeiten habe ich fleissig ausgenutzt, nicht nur den "Vocalismus".3 Vlat. Texte |3| habe ich kaum angesehen, aber verwertet was Andre gefunden haben. Ich erwarte mit Schmerzen Band XII (XIII wird noch lange nicht fertig sein) des C.I.L.4

Vieles muss aus der geographischen Ausdehnung der Lauterscheinung erschlossen werden; doch können z.B. Züge von winziger Ausdehnung auf Keltischen Dialect beruhen, also uralt sein. Vieles ergibt sich aus dem innern Zusammenhang zwischen den sprachlichen Vorgängen (Verstärkung der Tonsilbe, daher Abfall von o, e, i in letzter unbetonter Silbe, wie Sie gezeigt haben). Manches ergeben die (Christlichen, Fränkischen u.s.w.) Lehnworte, z.B. cha = ca ist jünger als v = up u wegen chapitre.

Den Ausdruck Lautgesetz habe ich schon in meinem Abschnitt über das Französische in Gröber’s Grundriss vermieden. Auch stimme ich Ihnen in der Polemik gegen den Ausdruck Philologie vollkommen bei.

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Ich bin vor der Hand noch erdrückt von Prüfungsgeschäften. Finde ich Zeit meinen Versuch, der im Entwurf bereits ausgearbeitet ist, zu vollenden, so wird es mir vom grösten [sic] Werthe sein wenn ich bei einzelnen Schwierigkeiten Sie um Rath fragen darf. Darf ich dann auf Sie rechnen?

In lautphysiologisches Detail werde ich mich im Allgemeinen nicht einlassen.

Wie ist es Ihnen unter den Basken ergangen? Es wäre schön wenn Sie uns wieder in der Allgemeinen Zeitung davon erzählen wollten.

Es grüßt Sie bestens

in treuer Verehrung

Ihr

Hermann Suchier.


1 Wohl falsch für: “18. 11. 87”.

2 Möglicherweise meint Suchier hier seinen Beitrag zu GröbersGrundrissen, also Suchier (1888).

3 Der Vokalismus des Vulgärlateins, Bd.1 (1866),Der Vokalismus des Vulgärlateins, Bd.2 (1867), Der Vokalismus des Vulgärlateins, Bd.2 (1868).

4 Das Corpus Inscriptionum Latinarum , 1847 von Theodor Mommsen begründet.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 11412)