Hugo Schuchardt an Hermann Suchier (11-11r-12v)
von Hugo Schuchardt
04. 04. 1877
Deutsch
Schlagwörter: Tobler, Adolf Wien Österreich Italien Schuchardt, Hugo (1877)
Zitiervorschlag: Hugo Schuchardt an Hermann Suchier (11-11r-12v). Graz, 04. 04. 1877. Hrsg. von Bernhard Hurch (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2991, abgerufen am 31. 05. 2023. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2991.
[H.S.] Graz, 4. 4. 77. [8 / 4] 1
Geehrter Kollege !
Meine Ansichten habe ich nur desshalb nicht bestimmter formulirt, weil ich dazu mich nicht Autorität genug fühle und weil gerade eine solche bestimmte Formulirung das Einverständniss erschweren könnte. Dass das was ich bean|2|trage etwas Billiges und Einfaches ist, werden Sie doch nicht bestreiten; ich wünsche, dass diejenigen welche ihr Geld beisteuern, – sofern sie fähig sind, in dieser Angelegenheit zu urtheilen – ihre Meinung aussprechen und dass diese Meinung gehörig berücksichtigt werde. Ich will keinen Unitarismus, sondern einen Foerderalismus wie er der Republik der Wissenschaft ziemt. Wenn der Ausgangspunkt des Unternehmens kein allgemeiner gewesen ist, so soll wenigstens der Endpunkt ein allgemeiner sein. – Warum sollte man in ein |3| Comité zu Wien keine Nichtromanisten hineinziehen? Hat man dasselbe nicht in Berlin gethan? Würde dann die Sache dort eher einen antideutschen Charakter bekommen, als hier einen antiromanischen? Das verstehe ich durchaus nicht. Ich will eben dass die Sache sowenig wie möglich von Nationalitätspolitik enthalte; Sie scheinen freilich etwas anderer Ansicht, Tobler auch, der mir von der “Reichshauptstadt” Berlin spricht. Wenn Sie die Wissenschaft nicht für etwas absolut internationales [sic] halten, dann |4| bitte ich Sie, das offen zu äussern, weil wir uns dann allerdings schwerlich verständigen werden. Sie können allerdings zur Verständigung zwischen Tobler und mir beitragen, indem Sie ihm zureden, sich nicht schroff und ablehnend gegen meine Vorschläge zu verhalten. Ich greife ja nicht in seine Sphäre ein; das Berliner Comité soll ja in seiner Wirkung nicht gehemmt sein, es soll nur die Thätigkeit “etwa auswärts sich bildenden [sic] Comités” (von denen ja im Aufruf die Rede ist) ermuthigen und fördern oder wenigstens nicht hindern. Werden in Oestreich, Italien u. s. w. eigene Comités mit besondern Sammelstellen errichtet, die etwas mehr sind als postillons d’amour oder vielmehr d’argent für Berlin, so wird entschieden die materielle Theilnahme eine weit bedeutendere sein. – Uebrigens werden Sie in der Gegenwart2 vom 6. April einen neuen Artikel von mir lesen.
Mit herzlichsten Grüssen
Ihr ergebener
H. Schuchardt.
In grösster Eile!
Faksimiles: Die Publikation der vorliegenden Materialien im „Hugo Schuchardt Archiv” erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Staatsbibliothek zu Berlin - Preussischer Kulturbesitz (Nachl. Suchier XIII: Schuchardt, Hugo, Blatt 1-54). (Sig. 11r)