Hans Georg Conon von der Gabelentz an Hugo Schuchardt (01-03204)

von Hans Georg Conon von der Gabelentz

an Hugo Schuchardt

Leipzig

06. 06. 1882

language Deutsch

Schlagwörter: Leland, Charles Godfrey Weiss, Brigitta (1986)

Zitiervorschlag: Hans Georg Conon von der Gabelentz an Hugo Schuchardt (01-03204). Leipzig, 06. 06. 1882. Hrsg. von Bernhard Hurch und Katrin Purgay (2015). In: Bernhard Hurch (Hrsg.): Hugo Schuchardt Archiv. Online unter https://gams.uni-graz.at/o:hsa.letter.2972, abgerufen am 28. 03. 2024. Handle: hdl.handle.net/11471/518.10.1.2972.


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Leipzig, d. 6. Juni 1882.

Verehrtester Herr College!

Herzlichsten Dank für Ihre liebenswürdigen, mir besonders interessanten Mittheilungen.1 Ihre Anfragen vermag ich leider nicht zu beantworten. Pitchen-english habe ich nur praktisch gelernt; etwas darin Gedrucktes ist mir nie zu Gesicht gekommen. Soviel scheint mir von vorn herein sicher: zu Dichtungen, und wären es die bescheidensten, eignet es sich in seiner jetzigen Rohheit2 noch nicht, Leland3 wird ihm wohl Gewalt angethan und sich dadurch den Zorn der Kritiken zugezogen haben. Von Pitchen-Russisch erhalte ich durch Sie die erste Nachricht.4

Aus Edkins5 dürften Sie für Ihre Zwecke wenig Neues erfahren. Die Grundgesetze des chines. Sprachbaues haben nie wesent|2|liche Änderungen erfahren, wenigstens nicht in historischer Zeit, und der „Mandarinendialekt[“] ist nicht Volkssprache der großen Hafenplätze.

Vielen Dank für Ihre freundlichen Worte über mein Buch.6

In vorzüglichster Hochachtung

Ihr ergebenster

GvdGabelentz.

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[Abschrift der handschriftlichen Notiz am oberen Rand der Beilage zu Brief 03204:]7

Chaque carré renferme un mot:

en haut, c’est le mot Chinois; au milieu le mot Anglais; au bas la prononciation du mot Anglais avec des caractères chinois.8

Plusieurs consonnes manquent au Cantonnais. Ainsi les lettres B R V Z etc. n’existent pas. De la [sic] des variantes impossibles.

On ne peut avoir qu’un son approximatif.

Prononcez rapidement les mots Chinois et vous aurez l’Anglais.


1 Ein hier erwähntes vorangegangenes Schreiben ist in den beiden Archiven Altenburg und Graz nicht erhalten.

2 „Rohheit” ist ein Begriff, den man sich hier am besten aus der Humboldtschen Tradition erklärt, wo er eher mit nicht ausgebildetem morphologischen Formenreichtum umschrieben werden kann.

3 Charles Godfrey Leland, 1824-1903, amerikanischer Folklorist und Philologe. Hier: Leland (1876) .

4 Vgl. dazu die Anmerkungen in der Einleitung.

5 Joseph Edkins, 1823-1905, britischer Missionar und Sinologe, Autor zahlreicher Bücher zur Kulturgeschichte Chinas, aber auch zur Chinesischen Sprachgeschichte und Sprache (besonders zum Dialekt von Shanghai). Es ist nicht auszumachen, welches Werk Gabelentz hier meint, am ehesten aber wohl Edkins (1853 - oder eine spätere Auflage davon). Weder in Schuchardts Bibliothek ( Weiss 1986) noch sonst in der Grazer Universitätsbibliothek ist das genannte Werk von Edkins nachgewiesen.

6 Wahrscheinlich Gabelentz (1881) .

7 Blätter dieser Art stammen aus Sprachbüchern, wie Wong (2013) diskutiert. Eine pers. Mitt. von Wong weist auf ein Japanisch-Englisches Wörterbuch von 1865 hin, das exakt nach dem gleichen System aufgebaut ist, ja sogar die gleichen Schrifttypen verwendet. Eine genaue Zuordnung des vorliegenden Blattes konnte allerdings noch nicht erreicht werden. Auch wWoher dieser Text stammt, ist nicht eindeutig auszumachen. Die chinesischen Schriftzeichen in der Mittelspalte weisen auf eine "Chinesisch - Englische Verkehrssprache" hin, wie sie im 19. Jahrhundert in den großen Handelszentren wie Shanghai gebräuchlich war.

8 Eingeschoben zwischen die beiden letzten steht handschriftlich eine lateinisch geschriebene Lauttranskription der chinesischen Schriftzeichen für die Aussprache.

Faksimiles: Universitätsbibliothek Graz Abteilung für Sondersammlungen, Creative commons CC BY-NC https://creativecommons.org/licenses/by-nc/4.0/ (Sig. 03204)